Und ewig währt die Hölle (German Edition)
ich.»
Lykke legte auf und starrte das dunkelblaue Samsung-Handy einen Moment lang böse an, bevor er es in seiner Jackentasche verschwinden ließ.
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Kapitel 28
Genau dreiundzwanzig Minuten hatte er auf der harten Holzbank gesessen, als er sah, wie sie den Ullevålsveien vor dem Gemüseladen überquerte. Sie trug zwei große Einkaufstüten und eine braune Handtasche. Und sie lächelte im kalten Wind. Er senkte die Zeitung, und sein Blick folgte ihr, als sie fünf Meter entfernt an ihm vorbeiging. An den Mülltonnen vor dem Haus Geitmyrsveien 7 blieb sie stehen und warf etwas weg, dann schloss sie die Eingangstür auf und verschwand im Haus. Er schaute auf seine Armbanduhr. 15.59 Uhr. Noch eine Stunde und einundvierzig Minuten, bis die Straßenlaternen angehen würden.
Er sah die graubraune Fassade hinauf und hielt bei den zwei mittleren Fenstern im zweiten Obergeschoss inne. Wartete. Dann sah er sie. Nur als einen Schatten, der vorüberglitt, aber deutlich genug, um sicher zu sein. Er erhob sich und ging auf den Mietwagen zu, den er ein paar Meter weiter die Straße hinunter geparkt hatte. Auf dem Rücksitz lagen ein Wollmantel und eine Thermoskanne mit heißem Kaffee.
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Kapitel 29
Lakshmi stellte die beiden Einkaufstüten im Flur ab und setzte sich an den Laptop. Hoffentlich war nichts dazwischengekommen. Sie klickte sich bis zum Mailfach durch. Vier gelbe Briefumschläge. Keiner von Terje. Perfekt.
Sie stieg aus der Jeans, legte Leonard Cohen in den CD-Player und drehte die Lautstärke bis zum Anschlag auf. Dann holte sie zwei Cremedosen aus der kleineren Einkaufstasche. Im Bad stieg sie auf die Waage. 59,3. Sie spürte einen kleinen Stich der Enttäuschung, zog Slip und Socken aus, pinkelte und versuchte es anschließend noch einmal. 59,2. Sie hatte seit dem Frühstück, bestehend aus zwei Scheiben Roggenknäckebrot mit Magerquark und Paprika, nichts mehr gegessen, und trotzdem hatte sie kein Gramm verloren. Sie ließ Wasser in die Wanne ein, nahm ein aufgeschlagenes Buch mit Plastikeinband aus dem Handtuchregal und setzte sich auf den Toilettensitz. Langsam blätterte sie in dem Buch. Sie hatte sich zwei Kapitel angestrichen, die Jagdhunde betrafen. Nach Siris Meinung war es am wahrscheinlichsten, dass Leute mit einer Hütte am See Ustevatn sich Setter hielten. Gordonsetter, notfalls auch English Setter. Lakshmi konnte den Text fast auswendig. Sie griff nach der Nagelfeile und zuckte zusammen, als es an der Tür klingelte. Siri ist aber früh dran, dachte sie und schlüpfte in ihren Bademantel.
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Kapitel 30
Nora starrte auf die fremden Vorhänge. Sie waren braun und an den Kanten ausgefranst. Durch einen kleinen Spalt unten am Fensterrahmen fiel ein Streifen Tageslicht herein. «Ich bin in einer halben Stunde wieder da», hatte ihr Vater gesagt. «Mach den Fernseher an oder spiel was am Computer, aber geh nicht nach draußen.» Er hatte sie genau so umarmt, wie er es immer getan hatte, wenn sie zurück zu Mama nach Oslo fuhr. Dann hatte er das Handy mitgenommen und war gegangen.
Nora sah auf die Uhr. Er war schon fast eine Stunde weg. Nach ein bisschen Herumprobieren hatte sie es geschafft, den Fernseher in der Ecke einzuschalten, aber eine Fernbedienung hatte sie nirgends finden können, und die Sprache auf dem eingestellten Kanal kannte sie nicht. Also schaltete sie den PC ein und klickte auf das Internet-Icon oben in der Ecke. Zu ihrem großen Erstaunen begann der Rechner zu arbeiten, und nach wenigen Sekunden war sie drin. Sie rief die Website teen.no auf und scrollte sich zu ihren Freunden durch. Bisher waren es neunzehn, aber sie war ja auch erst seit wenigen Wochen aktives Mitglied. Sie scrollte abwärts und stoppte bei Ernas Bild. Ob sie Erna anrufen konnte? Wenn sie jetzt für immer bei Papa in Risør wohnen musste, würde sie Erna vielleicht nie wiedersehen. Sie dachte an Tassy, den kleinen Dackel, der dem alten Mann im Erdgeschoss gehörte und auf den sie ein paarmal hatte aufpassen dürfen. Ob Tassy sie wohl vermisste? Wenn sie in Risør wohnen musste, wollte sie auf jeden Fall auch einen Dackel haben. Dann ging ihr durch den Kopf, dass die Polizisten im Auto bestimmt sauer waren. Nora merkte, dass sie daran im Moment lieber nicht denken wollte. Sie scrollte weiter. Die drei letzten auf der Freundesliste waren aus Bergen. Jungs. Alex war vierzehn und supersüß. Er hatte halblange dunkle, lockige Haare und große braune
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