Und ewig währt die Hölle (German Edition)
Liebe Grüße, deine 5b.»
«Mach ich morgen.»
«Also gut.» Er lächelte. «Wenn du um vier unter achtunddreißig Fieber hast, darfst du gehen, wenn nicht, sehen wir uns Shrek an. Okay?»
«Okay …»
«Du kannst ja mit Erik chatten, auch wenn du krank bist.»
Nora blickte zur Uhr am Herd. Es war sieben Minuten nach neun.
«Er ist in der Schule.»
«Falls es dir heute Nachmittag bessergeht, kannst du ihn doch zu uns einladen, dann lerne ich ihn auch gleich kennen.»
«Mann, Papa …»
«Okay, aber unsere Abmachung gilt?»
«Ist gut.»
Er ging in den Flur, zog sich einen grauen Dufflecoat an und setzte die Kapuze auf.
«Ich gehe einkaufen. Soll ich dir was mitbringen?»
Nora schüttelte erst den Kopf, überlegte es sich dann aber anders.
«Hühnersuppe. Die hat Mama mir immer gemacht, wenn ich krank war.»
«Hühnersuppe, alles klar.»
Er drehte sich um und öffnete die Haustür. In seinen Augen standen Tränen.
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Kapitel 62
Er bezahlte, steckte den Fahrschein ein und packte die schwarze Tasche fester. Sie war schwer, dabei enthielt sie nur das, von dem er mit Sicherheit wusste, dass er es brauchen würde.
Ein Blick auf die elektronische Anzeigetafel sagte ihm, was er bereits wusste. Abfahrt 10.05 Uhr. Keine Verspätung. Er ließ automatisch den Blick durch die Abfahrtshalle schweifen. In der Menge verschwinden, dachte er. Unsichtbar werden.
Am Narvesen-Kiosk kaufte er drei Zeitungen und einen Apfel. Der Fall war von den Titelseiten verschwunden. Bisher war alles nach Plan gelaufen. Nicht ohne Fehler, aber die kleinen Schnitzer hatte er ausbügeln können. Jetzt musste er nur noch eine Sache erledigen. Die einfachste.
Er setzte sich auf eine Bank und blätterte rasch die VG durch. Drei Seiten. Ein altes Foto von Lakshmi und einer Freundin unter der Überschrift: «Warum musste sie sterben?» Er las den Artikel aufmerksam und studierte die Frau auf dem Foto.
Eine Mutter mit einem Jungen von fünf, sechs Jahren setzte sich auf die Nachbarbank. Der Junge musterte die schwarze Tasche und lächelte ihn an. Seine Nase lief. Er lächelte zurück. Er mochte Jungs lieber als Mädchen. Schon immer.
Einige Minuten später stand er auf und ging mit festen Schritten auf den gerade angekommenen Überlandbus zu. Bussteig neunzehn. Der Sørlands-Express.
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Kapitel 63
«Frode Darre war ein guter Kollege», fuhr Lykke fort, «einer, der immer zuverlässig war und seine eigenen Interessen stets hinter die Erfordernisse des Polizeidienstes zurückstellte.»
Er hob den Blick von seinen wenigen Stichworten und richtete ihn auf die spärlich besetzten Reihen. «Und der die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht hat, die Hauptstadt sicherer zu machen.»
Er hielt inne und bemerkte, dass Breiby in der zweiten Reihe leicht nickte. Lykke wandte sich dem weißen Sarg zu.
«Danke für deinen Einsatz. Wir werden dein Andenken in Ehren halten.»
Er war sich nicht sicher, ob er salutierten sollte, aber dann fiel ihm ein, dass er seine Uniformmütze auf dem Stuhl zurückgelassen hatte. Also entschied er sich für eine schnelle Verbeugung, ehe er hinunterging und seinen Platz neben Breiby einnahm.
Eine frühe Aufnahme von Blueberry Hill erfüllte den Kirchensaal.
Außer den zwölf Kollegen in Uniform saßen nur noch die Mutter, ein älterer Bruder und etwa acht bis zehn Männer in Darres Alter in der halbdunklen Kirche. Vermutlich Nachbarn oder alte Schulkameraden. Oder vielleicht Cousins? Es war beinahe auffallend, wie wenig Frauen anwesend waren. Nicht einmal eine alte Tante. War Darre schwul gewesen?
Lykke blickte verstohlen zu einem Mann Anfang dreißig, der zwei Reihen hinter ihm saß. Andererseits, dachte er, wie viele Freundinnen hat ein alleinstehender Polizist?
«Otis Redding?», flüsterte ihm Breiby ins Ohr.
«Fats Domino.»
«Richtig.» Sie nickte und legte ihm leicht die Hand auf den Arm. «Schön.»
Billige Publikumsfängerei, dachte Lykke und fühlte sich immer noch unbehaglich nach seiner steifen Rede.
An seinem strammen Uniformkoppel vibrierte es. Er zog den weißen Handschuh aus, holte das Handy hervor und ließ es diskret auf den Schoß gleiten. SMS von Kuvås. Der Dolmetscher war unterwegs von Gardermoen in die City.
Lykke steckte das Handy zurück und ignorierte den fragenden Blick der Polizeidirektorin. Er starrte auf den Sarg. Nicht mehr lange, dann bin ich an der Reihe, dachte er. Ob Breiby dann die Rede hält? Zum tausendsten Mal stellte er
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