Und ewig währt die Hölle (German Edition)
holten sie meine Mutter und meine kleine Schwester. Zwei Tage später fand man meine Schwester mit durchgeschnittener Kehle hinter einem Lagerhaus. Meine Mutter haben wir nie wiedergesehen. Am Nachmittag des 12. Juli, an seinem neunundvierzigsten Geburtstag, verschleppten sie meinen Vater. Ohne Erklärung, die serbischen Soldaten nahmen ihn einfach mit, und am Abend hörten wir, dass man ihn hinter dem ‹weißen Haus› erschossen hatte. Nadija und ich versuchten, zusammenzuhalten. Sie war einundzwanzig und ich sechzehn.
In der Nacht zum 13. Juli kam eine Gruppe von fünf serbischen Soldaten, die zu den ‹Skorpionen› gehörten, einer Abteilung unter Führung von General Mladic, zu dem Zelt, das wir mit zehn oder elf anderen Bosniern teilten.
Sie vergewaltigten Nadija der Reihe nach, und wir mussten dabei zusehen. Zwei der Männer taten es sogar mehrmals. Anschließend pissten die Kerle auf sie. Dann zwangen sie eine der Frauen im Zelt, ihre Tochter zu holen, die sich bei anderen Leuten versteckt hatte. Sie drohten, uns alle umzubringen, falls die Frau sich weigerte. Drei der Männer vergewaltigten das Mädchen nacheinander. Sie war zehn.»
Der Dolmetscher lehnte sich zurück. Es war still im Raum.
Lykke und Parisa wechselten einen Blick. Ein Kriegsverbrecher. Natürlich.
«Kennen Sie die Namen der Männer?»
Dizar übersetzte.
«Nur den des Anführers.»
«Und wie heißt er?»
Lykke saß auf der Stuhlkante. Sein Mund war trocken.
«Dragan Bogdaic.»
Er versuchte, Augenkontakt zu dem jungen Mann herzustellen, aber Fadil Hadzic starrte mit leerem Blick an die Wand. Ein Schweißtropfen lief langsam seinen Nasenrücken hinunter. Plötzlich sprach er weiter. Alle Augen richteten sich auf Dizar.
«Dragan Bogdaic war einer von denen, die sowohl Nadija als auch das kleine Mädchen vergewaltigt haben.»
«So ein Schwein!» Parisa konnte sich nicht länger beherrschen. «Wie seid ihr da rausgekommen?»
Dizar übersetzte. Nach langen Sekunden kam die Antwort.
«Wir haben es geschafft. Das genügt.»
Die Luft war stickig, und man konnte kaum atmen. Lykke erhob sich und öffnete die Tür zum Flur.
«Aber die UN-Soldaten, die da waren, um auf euch aufzupassen», fuhr Parisa fort, «haben die denn nichts unternommen?»
Dizar unterhielt sich leise mit Fadil.
«Es waren nicht genug, und außerdem waren das auch keine Unschuldsengel.»
«Haben sie denn nicht wenigstens versucht zu helfen?»
«Die UN hat viel falsch gemacht …»
«Fragen Sie ihn, ob Nadija Dragan Bogdaic wiedererkannt hätte», sagte Lykke.
Der Däne wandte sich an Fadil.
«Möglich, falls er sein Äußeres nicht verändert hat.»
«Hätte Bogdaic sie wiedererkannt?»
Fadil blickte zu Boden und murmelte etwas.
«Will er nichts mehr sagen?»
Osman Dizar schüttelte den Kopf.
«Nur eine Sache noch.»
Lykke fasste in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Foto von Sergej Gusev heraus. «Fragen Sie ihn, ob er diesen Mann kennt.»
Der Bosnier warf einen kurzen Blick auf das Foto und schüttelte entschieden den Kopf.
Kommissar Rolf Lykke zog den Mantel an, der nachlässig hingeworfen über der Stuhllehne lag.
«Wir beenden das Verhör an dieser Stelle. Kein Wort darf nach außen dringen. Kein Wort zu Kollegen, zu Vorgesetzten, zu niemandem. Verstanden?»
Parisa nickte knapp.
«Sie auch?»
Lykke nagelte den Dolmetscher mit seinen grauen Augen fest.
«No problem.»
«Gut.» Auf halbem Weg aus der Tür blieb er stehen und drehte sich zu dem Dänen um. «Sagen Sie ihm, dass er die Stadt in den nächsten Tagen nicht verlassen darf. Wir brauchen seine Heimatadresse und seine Telefonnummer.»
«Bist du sicher, dass wir ihn laufenlassen sollen?»
Die Frage kam von Kuvås.
Lykke überlegte einen Moment.
«Er nützt uns nur etwas, wenn er kooperiert. Lasst ihn gehen.»
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Kapitel 65
«Hier, euer Essen.»
«Danke, stell es einfach da hin.»
Der Beamte stellte die Pizzaschachteln mit dem Aufdruck «Dolly Dimple’s» auf dem Konferenztisch ab und verließ den Raum.
Viker riss die oberste Schachtel auf. Die Pizza war lauwarm, und Servietten fehlten auch.
«Ich hole eine Rolle Klopapier», sagte er und stand auf.
Lykke musterte den überfüllten Tisch.
«Die nächsten vierundzwanzig Stunden konzentrieren wir uns auf die Suche nach Dragan Bogdaic. Der Mann könnte bei Zybase zu finden sein oder beim ICTY, aber darauf haben wir wohl keinen Zugriff?» Er sah Kuvås an.
«Wir müssen die Suche vor Ort
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