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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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erledigt und jeweils am folgenden Tag bei Mutter Hutterin abgebt.“
    Katharina nickte nur stumm. Doch die Äbtissin hatte sich bereits zu Mathilda gewandt: „Mich dünkt, dass es nicht richtig war, dein Dauersilentium aufzuheben.“
    Mathilda begann zu zittern. Schweigen war fast schlimmer als alles andere.
    „Trotzdem ...“ Die Äbtissin zögerte einen Moment, ehe sie fortfuhr. „Nein, ich probiere es erst einmal so. Zur Strafe wirst du eine Woche lang kein Mittagessen bekommen – und während dieser Zeit den anderen vorlesen.“
    Wieder sah sie Katharina und Mathilda gleichzeitig an. „Dies ist das letzte Entgegenkommen meinerseits. Der nächste Verstoß kommt ins Strafkapitel.“ Und damit drehte sie sich um und packte Katharina am Arm. „Raus jetzt hier.“
    Einen Moment später war Mathilda alleine in ihrer Kammer. Nur eine Spur von Kampfer hing noch in der Luft.

Mittwoch, 26. Oktober 1521
    Wassermangel
     
    Christus spricht: Darum mir lieb und angenehm ist, daß der Mensch seinen Leib wie ein krankes Tier behandele, also schon, damit er in meinem Dienst bestehen mag. Nicht daß er Unzucht treib oder in Wollüsten zerfließ. Sondern daß er der Notdurft mit Bescheidenheit genug tu, wie die kranke Natur begehrt.
    Aus den Klosterregeln der Heiligen Birgitta
     
     
    „Was ist mit dir?“
    Georgs fürsorgliche Stimme, die leise zu ihm herüberdrang.
    Arno blickte unauffällig zu den beiden jungen Leuten hinüber, die einträchtig miteinander am Tisch saßen und bis eben still für sich gearbeitet hatten. Anscheinend waren sie gänzlich zur vertraulichen Anrede übergegangen. Aber gut, so war das Experiment ja auch gedacht. Was aber war mit ihr?
    Mathilda war heute stiller. Und das nach dem beflissenen Bericht der Örtlerin. Er hatte es auf die Haube geschoben, die heute das üppige blonde Leuchten – Gott sei Dank, darunter unversehrt, wie ihr Zopf auf dem Rücken bewies – mit strengem Grau ummäntelte. Es wäre doch nicht verwunderlich, wenn das – oder vielmehr dessen Bedeutung – ihre übliche Energie gedämpft hätte. Ihre Zukunft im Kloster war nun wirklich angebrochen. Gerade jetzt jedoch hatte sie ihren Kopf in die Hände gestützt und die Augen geschlossen. Ging es ihr zusätzlich gesundheitlich nicht gut heute?
    „Ich habe nur Kopfschmerzen.“
    Besorgt wandte Arno sich ihr zu. „Was ist mit Euch?“ wiederholte er dämlicherweise die Frage seines Schülers. „Fehlt Euch noch etwas, außer den Kopfschmerzen?“, setzte er rasch nach.
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, mir fehlt nichts. Nur“, sie zögerte, „Wasser wahrscheinlich. Ich habe seit heute früh nichts mehr getrunken.“
    „Wie? Gab es nichts zum Mittagessen?“ Er hatte seine Augenbraue hochgezogen.
    „Ich musste lesen“, sagte sie leise und senkte den Kopf. „Eine Woche, ab heute.“
    „Wie? Lesen?“
    Man hatte sie gestern im Kapitel angeklagt? Davon hatte die Örtlerin nichts gesagt. Und das, nachdem sie ihn heute Morgen nach der Besprechung extra noch zurückgehalten hatte, um ihm mitzuteilen, wie gewissenhaft sie seiner Bitte nachgekommen sei und Mathilda praktisch in Watte gepackt habe. Verbunden mit dem Appell an ihn, sie unverzüglich zu informieren, sollten sich bei ihrem ‚Schützling’, wie sie sich ausgedrückt hatte, neuerliche Visionen einstellen. Arno schnaubte erneut in ihr vor seinem inneren Auge auftauchendes, gieriges Gesicht. Jedenfalls war er davon ausgegangen, dass drüben auch weiterhin alles glatt liefe.
    „Schuldkapitel?“, schloss Georg auch sofort. „Du Arme. Äh ...“ Dann fiel dem Jungen offenbar ein, was bezüglich der Klosterregeln von ihm als Mönch erwartet wurde: „Natürlich kommt es darauf an, was du dir hast zuschulden kommen lassen, ich meine ...“
    Mathilda – nickte?
    „Wie ...?“ ... passt das mit dem zusammen, was mir die Örtlerin zugesichert hat? Das konnte er sie selbstredend nicht fragen.  
    „Es war kein Schuldkapitel“, erklärte sie rasch, an Arnos Adresse gewandt – sie schien sich nicht zu wundern, dass er offenkundig mehr gewusst hatte, als er hätte wissen dürfen. Dann zögerte sie, offenbar unsicher, ob sie weiterreden sollte.
    Sah Arno so neugierig aus?
    „Wie dem auch sei“, stoppte er sie eine Spur zu hastig, seinen eben begonnenen Satz wieder aufnehmend, um ihn nun anders zu vollenden. „Es geht nicht an, dass Ihr aufgrund von Übertretungen der Klosterregeln nicht in der Lage seid, mit optimaler Konzentration an meinem Unterricht

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