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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Haarklammern herbekommen? Hier im Kloster gab es sicher keine. Es musste also so gehen. Vielleicht war unter ihren Hauben eine dabei, die einen festeren Abschluss besaß – und damit die Haare besser zurückhalten konnte.
    Im Unterricht hatte sie nicht darauf geachtet, ob der Zopf ordnungsgemäß verstaut war. Sie war sicher, dort stellten ihre Haare kein Problem dar. Weil dort nur Männer waren, die ihre eigenen Haare schließlich auch nicht verbergen mussten.
    Schien es ihr nur so, oder waren Männer tatsächlich ganz allgemein großzügiger als Frauen? Immerhin hatte Pater Arno keinen Moment gezögert, ehe er Wasser holen gegangen war. Dabei war es ihr doch zur Strafe entzogen worden. Genau wie das Essen.
    Wie auf Kommando begann es in Mathildas Bauch energisch zu rumpeln. Ein bisschen schwindelig vor Hunger war ihr auch, doch wenigstens hatten die Kopfschmerzen nachgelassen. Bald würde es Abendessen geben. Heute würde sie sich durch nichts davon abhalten lassen, sich tüchtig vollzustopfen. Da konnte gelesen werden, was wollte. Schließlich würde sie erst morgen um die gleiche Zeit wieder eine Mahlzeit bekommen. Heute, während die anderen zu Mittag gegessen hatten, hatte ihr die Äbtissin einen ins Deutsche übersetzten Bibelvers gegeben, den sie vorgelesen hatte: Zweites Buch Mose. Keine Stelle diesmal, in der es um Opfer, Blut, Fett oder Töten ging. Nein, sie hatte von Gehorsam und Demut gehandelt: „Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe. Hüte dich vor ihm und gehorche seiner Stimme und sei nicht widerspenstig gegen ihn ...“
    Zurück jetzt also in den Frauenkonvent, wo ihr während des Kapitels wahrscheinlich wieder merkwürdig fragende Blicke zugeworfen werden würden. Wie heute in der Rekreation, die sie, neben Katharina sitzend und weitgehend stumm am Puppengewand nähend, verbracht hatte. Damit war sicher, alle Nonnen wussten bereits darüber Bescheid, was letzte Nacht passiert war.
    Mathilda schauderte, als sie sich an Elisabeth erinnerte, deren Blick sie mehr als einmal getroffen hatte. Sie hatte ausgesehen wie das personifizierte Elend. Was sie sich wohl dachte?
    Dass sie längst durch den Finsteren Gang lief, registrierte Mathilda erst an der Stelle, wo es wirklich stockdunkel wurde. Himmel! Ihr Herzschlag beschleunigte sich, sie wurde schneller. Würde sie sich denn niemals daran gewöhnen, dass es hier ein wenig unheimlich war?
    Mittlerweile breiteten ihre Arme sich schon von allein aus, während ihre Füße nur so dahinflogen. Die Wände rechts und links wenigstens zu fühlen, wenn sie schon nicht zu sehen waren, war eine kleine Beruhigung. Und ebenso automatisch zählte sie. „Eins, zwei, drei, Lücke, fünf, sechs, sieben, acht, Stufen hinauf, neun, Ecke – und Licht, denn das Ende war in Sicht.
    Wie immer atemlos stand sie schließlich vor der Klosterpforte und klopfte an.
    Heute war es Edeltraud, die öffnete. „Schön, dass du zurück bist“, sagte sie und warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. „Warum schnaufst du so?“
    Mathilda wand sich ein wenig. Es war ihr unangenehm, zuzugeben, dass sie stets durch den Finsteren Gang rannte.
    „Angst?“, riet Edeltraud prompt richtig und blickte in Richtung des dunkel gähnenden Eingangs. „Kenn ich auch.“
    „Du?“, fragte Mathilda. „Aber du hast doch gesagt, dass du keine Angst hättest, weil niemand darin sein könne, wenn du morgens aufsperren gehst.“
    „Also erst einmal geh ich nicht nur morgens hinein“, verteidigte sich Edeltraud, „sondern auch abends zum Zusperren. Und zu der Zeit könnte sich doch jemand darin verbergen. Und außerdem ...“, sie neigte ihren Kopf zu Mathilda, „der Gehörnte kann doch durch Wände gehen.“
    „Der – wer?“ Mathilda starrte die junge Laienschwester entsetzt an. Hatte sie gerade richtig gehört?
    „Der Teufel“, raunte Edeltraud an ihrem Ohr. „Ich bete immer ein 'Vater unser' und bekreuzige mich, wenn ich hinein muss. Margarete sagt, das hilft, dass er einen nicht packen kann.“
    „Schwester Narcholzin?“, stieß Mathilda hervor, „glaubt an den Teufel?“
    „Nicht nur sie“, beteuerte Edeltraud sofort. „Alle hier tun das.“
    „Aber wir sind hier in einem Kloster“, widersprach Mathilda. „Wie soll denn der Teufel hier hereinkommen, hier sind doch alle fromm?“
    „Gerade Nonnen sind besonders gefährdet.“ Edeltraud warf noch einen alarmierten Blick auf den Hof, zog Mathilda ins

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