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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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teilzunehmen.“ Wasserentzug war wirklich gesundheitsschädigend auf die Dauer. Es konnte nicht Gottes Wille sein, dass Menschen, die eine menschgemachte Regel übertreten hatten, sich einem solchen Risiko aussetzten. „Daher wartet einen Moment“, kündigte er an, „ich hole Euch Wasser.“
    Das war kein Problem. Für die Schreiber, die ja oft ganze Tage und Nächte oben im während des Sommers sehr heißen Skriptorium zubrachten, standen in einem Regal im Erdgeschoss Becher bereit. Und durch die Hintertür – für alle Unbefugten, die außerhalb der Mahlzeiten weder Nahrung noch Flüssigkeit zu sich nehmen sollten, natürlich verschlossen – war es nicht weit zum Brunnen im Innenhof.
     
    Mathildas ihn empfangendes Lächeln war sehr rührend – auch wie sie dann mit abrupter Bewegung den ersten der beiden Becher an die Lippen setzte und sich ihre Gier zu bezähmen bemühte.
    „Danke, Pater Arno“, kam mit einem wohligen Seufzer, als sie nach einem langen Zug den leeren Becher abstellte. Und ihn anstrahlte.
    Er nickte, darauf konzentriert, das nicht aus Versehen zu erwidern. „Doch nun arbeitet auch!“
    Nachdem er ihr den zweiten Becher hingerückt hatte, kehrte er an seinen eigenen Arbeitsplatz zurück.
    Bedrückt schien sie noch immer – folglich hatte auch er recht gehabt, was ihre seelische Stimmung betraf. Was in Anbetracht dieses grauen Ungetüms über ihrem Haar doch auch alles andere als ein Wunder war.
     
    „Ich ...“
    Arno hatte sehr wohl mitbekommen, dass sie den beiden Jungen am Ende der Stunde nicht gefolgt war.
    Er sah von seinen Unterlagen zu ihr auf, die sie – mit angespanntem Gesicht jetzt, also musste sie mehr im Sinn haben, als sich erneut bei ihm zu bedanken – vor ihm stand. „Ja?“
    „Ich wollte Euch etwas fragen.“ Sie zog die Lippen nach innen.
    Warum brachte allein das sein Herz dazu, Alarmbereitschaft zu schlagen? Doch hatte er eine Wahl? Sie war seine Schülerin, und sie fragte ihn etwas. „Ja?“
    „Ich hätte das am liebsten vorher getan, also bevor ich gestern die Fragen von Mutter Örtlerin beantwortet habe.“
    Seine nach oben schnellende Augenbraue war es, die dem Rest seines Körpers Entwarnung gab. Es ging um eine formale Frage, um eine, die sie eindeutig bedrückte – und sie hatte gewartet, bis sie sie ihm stellen konnte, anstatt mit Georg Vorlieb zu nehmen.
    „Wie groß ist meine Sünde, dass ich gestern alles bejaht habe?“, schoss es aus ihr heraus. „Sie hat mir aber gar keine Wahl gelassen, ich hätte nicht 'Nein' sagen können, ich habe doch keine Wahl, als hier zu sein, sie hätten mich doch sonst hinausgeworfen, was hätte ich nur tun sollen?“
    Oh Mädchen, was du alles zu tragen hast! Sie hätte ehrlich geantwortet, wenn sie gedurft hätte, dessen war er sicher. Und die Örtlerin hätte ihr das 'Nein' auf der Stelle so im Munde herumgedreht, dass es als 'ja' herausgekommen wäre, dessen war er ebenso sicher.  
    „Ich sehe es auch so: Eine Wahl hattet Ihr nicht“, unterstützte er sie zunächst, „doch eine Sünde bleibt es trotzdem, leider.“
    Wie gern hätte er ihr diese von den Schultern genommen! Zumal Gott sie gewisslich ebenso billigen müsste wie Arno. Durfte er ihr das sagen?
    „Ich bin sicher, dass nahezu jeder, den Ihr in dieser Sache um seine Meinung bätet, Verständnis für Eure Lage erbringen würde“, sagte er diplomatisch. „Am Freitag in der Beichte könnt Ihr die Absolution dafür erlangen.“
    Sie nickte. Mit nun wieder leuchtenden Augen. Ihr Lächeln war zurück. „Danke, Pater Arno.“ Sie holte tief Luft. „Ich wusste, dass es mir besser gehen würde, wenn ich mit Euch gesprochen hätte. Und vielen, vielen Dank für das Wasser!“
    Noch ein lächelnder Atemzug, und sie drehte sich um und lief aus dem Raum. Wie ihr Zopf unter der Haube hervorlugte und in gewohnter Manier nach schwang, zeigte, dass sie noch immer lächelte, auch wenn Arno es nicht mehr sehen konnte. Und das erfüllte ihn mit einer tiefen Befriedigung. Die dort drüben würden große Schwierigkeiten haben, diese junge Frau zu brechen. Da konnten sie ihr Strafen und Verbote aufdrängen, soviel sie wollten. Mathilda war stark. Sie würde es überleben.

… fällt selbst hinein
     
     
    Ungeduldig packte Mathilda ihren Zopf und stopfte ihn unter die Haube zurück. Lästigerweise rutschte er ständig heraus und schwang, für jeden deutlich zu sehen, auf ihrem Rücken herum. Wenn sie ihn nur irgendwie feststecken könnte. Aber wo sollte sie

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