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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Herzschlag, der sich immer weiter beschleunigt hatte, galoppierte jetzt.
    Vielleicht hat Katharina recht , suchte sie sich zu beruhigen. Mutter Örtler hat schließlich ausdrücklich gesagt, dass auf unser Vergehen hin kein Strafkapitel folgen würde.  
    „Deswegen will ich euch erklären, was geschehen ist“, fuhr die Äbtissin nach einer Pause fort. Sie ließ ihren Blick über die Nonnen schweifen – und auf Katharina und Mathilda liegen bleiben.
    „Ihr alle seid Zeugen davon geworden, dass Schwester Greulichin und Mathilda Finkenschlagin gegen das Nachtsilentium und das Besuchsverbot verstoßen haben.“
    Durch die Reihen der Nonnen lief bestätigendes Kopfnicken und leises, zustimmendes Geraune.
    Mathilda wurde schwach vor Angst. Ihr stockte der Atem. Also doch! Gleich ...
    „Beide haben ihre Strafe bereits erhalten“, fuhr in diesem Moment die Äbtissin fort. „Das jedoch soll heute nicht Thema sein.“
    Was? Mathilda, die gerade noch um Luft gerungen hatte, blieb der Mund offen stehen.
    „Das heutige Schuldkapitel wird von Lug und Trug, von Heuchelei und Intrige handeln.“ Die Äbtissin wandte sich an die Schönin. „Nun, Schwester Schönratin, was habt Ihr dazu zu sagen?“
    Die saß mit erstarrtem Gesicht auf ihrem Platz, die Lippen zwischen die Zähne gezogen, und starrte mit ungläubigen Augen auf die Äbtissin. „Meine Abssichten waren rein“, flüsterte sie, hob plötzlich den Kopf, streckte die Hand aus und wies auf Mathilda. „Diesse da ist ess, die gessündigt hat. Ssie muss bestraft werden.“
    „Sie ist bereits bestraft worden“, sagte die Äbtissin mit sanfter Stimme. „Jetzt aber geht es um Euch. Um das, was Ihr getan habt.“
    „Nichtss hab ich getan“, kreischte die plötzlich los. „Nur meine Pflicht.“
    Sie war aufgesprungen, starrte einen Moment im Saal umher, nur um dann wieder bei Mathilda und Katharina hängenzubleiben. „Diesse beiden da pflegen eine bessondere Freundschaft, dass ssieht unsser Herrgott nicht gerne. Desswegen hat er mich geschickt, ihnen dass Handwerk zu legen.“
    Die Äbtissin ging nicht weiter darauf ein. „Erzähle uns, was du getan hast.“
    Als hätte die Schönin darauf gewartet, fing sie an zu schreien: „Ich bin das Werkzeug Gottess. ER hat gessagt, dass ich allen zeigen ssoll, wess Geisstess Kind diesse beiden dort ssind. ER hat mir gessagt, ich ssolle anklopfen und mich dann in meine Zelle zurückziehen. ER hat mich angewiessen, zu Euch“, sie verstummte abrupt, verneigte sich leicht in Richtung Äbtissin und fuhr etwas leiser fort, „Euch zu holen, damit Ihr sseht, welch ssündiges Pack unter unsserm Klossterdach beherbergt wird.“ Sie verneigte sich noch einmal, diesmal in unbestimmte Richtung, und fügte hinzu: „Ich bin unschuldig.“ Mit diesen Worten setzte sie sich zurück auf die Bank.
    „Schuld oder nicht schuld, das wird sich noch erweisen“, sagte die Äbtissin und richtete ihren Blick wieder auf die Zischerin. „Ich klage dich hiermit an, falsches Zeugnis wider deinen Nächsten gegeben zu haben.“
    Niemand mehr im Saal regte sich, und bis auf die heftigen Atemzüge der Schönin war auch nichts zu hören.
    Die Äbtissin zog ihre Augenbrauen hoch. „Nun?“
    In das gerade noch verstockt wirkende Gesicht der Schönin kam Leben. Mit einem Mal sah sie aus, als wollte sie weinen. „Ich bin schuld“, raunte sie leise. Dann sank sie auf die Knie und von dort auf den Fußboden, wo sie ausgestreckt liegenblieb.
    „Gut“, nickte die Äbtissin, die ihr mit den Augen gefolgt war, und hob den Kopf. „Wer von den hier Anwesenden hat etwas gegen Schwester Schönratin vorzubringen?“
    Nicht nur Mathilda saß in stiller Erstarrung. Was wurde jetzt von ihr erwartet? Dass sie eine Anklage vorbrachte?
    „Schwester Schönratin hat mich letzte Woche fälschlicherweise angeklagt“, kam schließlich eine dünne Stimme von der Bank der Laienschwestern.
    Mathilda erkannte Schwester Narcholzin, die bleich und klein neben Edeltraud saß.
    „Ich hatte gar kein Brot genommen.“ Sie zögerte kurz. „Das heißt, doch, vor einiger Zeit schon. Damals hatte sie mich erwischt. Sie hat gedroht, mich im Schuldkapitel anzuklagen, wenn ich ihr nicht jeden Tag Brot mitbringe. Ich habe es getan, bis letzte Woche.“ Sie stand auf. „Ich bin schuld“, sagte sie und sank ebenfalls zu Boden.
    „Ich bin schuld“, erhob sich nun auch Edeltraud. „Ich habe für Schwester Schönratin gelogen und gesagt, dass sie beim Zensieren der Post sei. Ich weiß

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