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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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immer er konnte. Auch wenn sein Vorschlag, ihre Angst vor dem Finsteren Gang einfach wegzubeten, leider nicht gefruchtet hatte. Dennoch, sie hoffte inständig, auch ihm einmal einen Gefallen tun oder gar helfen zu können.
    Als sie das Krächzen hörte, hob sie den Kopf und erblickte eine Elster, die auf dem Klosterdach herumturnte. Hübsch war sie, mit ihrem schwarzen Kopf und dem weißen Kragen.
    Die Elster hatte Mathilda nun ebenfalls entdeckt, verharrte und sah sie mit schief gelegtem Kopf an.
    „Ich habe leider nichts Glänzendes dabei“, rief Mathilda und hob ihre leeren Hände. „Siehst du?“
    Die blanken schwarzen Knopfaugen der Elster huschten von einer Hand zur anderen. Dann rieb sie mit einer blitzschnellen Bewegung ihren Schnabel an ihren Beinen, schüttelte den Kopf, breitete die Flügel aus – und weg war sie.
    Die fliegt zu ihren Elstern – und ich zu meinen, dachte Mathilda und machte sich wieder auf den Weg. Nach Unterrichtsschluss ging sie nicht gerne fort aus der Bibliothek, wo sie sich entschieden mehr zuhause fühlte als drüben im Frauenkonvent. Aber dort – Mathilda ließ ihren Blick für einen Moment auf den hochgelegenen Fenstern ruhen, die vom Frauenkloster auf den Friedhof hinauszeigten – dort war jetzt ja auch alles gut. Dort war Katharina – eine glückstrahlende Katharina seit heute, weil Elisabeth endlich wieder gut mit ihr war, und dort machte die Schönin erst mal keinen Ärger mehr. Mathilda konnte nicht behaupten, viel Mitleid mit ihr zu haben. Vor allem, weil sie deren extreme Angst vor dem Teufel nicht verstehen konnte. Gab es nicht genug dunkle Stellen auf der Welt, wo der sich deutlich lieber herumtreiben würde als ausgerechnet in einem Kloster?
    Ihr Blick sank von den Fenstern hinab auf den Friedhof und fiel auf einen dunklen Fleck zwischen den Gräbern, der heute Mittag noch nicht dort gewesen war. Was war das? Neugierig machte sie ein paar Schritte darauf zu, stoppte schließlich. Dies war eine Grube, ein offenes, leeres Grab, der dazugehörige Erdhaufen ein Stück weiter an der Klosterwand aufgeworfen.
    Für wen war das? War jemand gestorben? Sie hatte nichts mitbekommen. Die Nonnen hatten heute Mittag alle noch wohlauf gewirkt. Naja, vielleicht einer der Mönche?
    Sie ging zurück zum Weg und wandte sich dem Finsteren Gang zu, der seine Nähe nicht nur durch einen dunkelklaffenden Eingang ankündigte, sondern auch durch muffig-modrigen Geruch und einen unangenehm kalten Luftzug.
    Wie um Mut zu schöpfen, atmete sie tief ein, als sie ihn betrat. Hier am Anfang war es noch nicht allzu dunkel. Aber gleich da vorn, nach der Biegung ... Sie wurde schneller, als sie diese erreicht hatte, und rannte mit ausgebreiteten Armen los, als die Dunkelheit sie endgültig verschluckt hatte.
    Eins, zwei, drei ...
    „IIIEH.“
    Sie kreischte vor Schreck, riss ihre Arme an sich und rannte davon, so schnell sie konnte.
    Dort, wo sonst bei 'vier' die Wand für die Türe zum Sargraum zurückwich, eine Lücke klaffte, war heute – etwas. In wilder Panik hielt sie den Atem an und rannte, rannte, ohne zu sehen, ohne zu denken, alle Sinne nach hinten gerichtet in der Angst, gleich gepackt zu werden – bis zu den Stufen, wo bereits Licht durch die offenstehende Türe eindrang, ums Eck und die Treppe hinauf, hinaus, über den Hof bis vor den Klostereingang. Sie packte den Klopfer, hob ihn und warf ihn mit aller Kraft auf die Türe. Dann blieb ihr erst einmal nichts anderes übrig, als mit noch immer jagendem Herzen und schwer atmend dazustehen und zu warten, bis jemand öffnete.
    „Edeltraud!“ Sie trommelte auf die Türe, ließ den Türklopfer noch zweimal niedersausen.
    Mit panisch aufgerissenen Augen starrte Mathilda auf den schwarz und drohend gähnenden, jedoch völlig leeren Eingang zum Finsteren Gang hinüber. Da drin. War etwas.
    Oder jemand , verbesserte sie sich in dem Bemühen, ihrer Panik Herr zu werden. Dennoch zitterte sie haltlos und fühlte die Angst würgend in ihrer Kehle. Sie hatte etwas berührt, als da gar nichts hätte sein dürfen. Statt Luft oder einer Holztüre – ein warmer Körper. Und sie hatte einen erschrockenen Atemzug gehört, der nicht der ihre gewesen war.
    Ein Mensch. Sagte ihr Verstand. Er musste ihr entgegengekommen sein und sich in die Nische gedrückt haben, um sie vorüberzulassen. Ihre Vorstellungskraft jedoch hatte nach dem gestrigen Schuldkapitel weit Schrecklicheres parat: Ein dunkles Wesen mit Hörnern und Pferdehuf.
    Mathilda überlief eine

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