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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ihr eine Lampe zu geben, auf dass sie dem Teufel entgegen leuchte? Dass Ihr ihr dieselben Rechte zugesteht wie Euren Novizen, obwohl sie eine Frau ist?“ Sie ließ ihren Blick sich verschleiern, um im nächsten Moment ihre Augen aufzureißen und – „Was ist Euer Interesse an ihr, Pater Arno?“
    Mein ...? Er stand reglos. Absolut hilflos in diesem Moment. Was sollte ich ...? „Ihr ... ihr Potential“, stotterte er. „Ich sagte Euch doch ...“
    „Ich habe sie beobachtet. Ihr Aussehen, ihr Gebaren, das, was sie von sich gibt.“
    Die Örtlerin hielt mit beiden Händen das Gitter umklammert. Ihr Gesicht unmittelbar dahinter. So als wäre er, Arno, ein in einem Käfig eingesperrter Sünder, auf den sie von draußen einredete.
    „Aber ich habe nichts erkennen können“, sprach sie aus, zwischen den einzelnen Worten Pausen lassend, als bezweifelte sie, dass das Tier Arno in der Lage wäre, sie zu verstehen. „Das einzige, was dieses Mädchen ausstrahlt, ist eine“, sie musste nach einem passenden Schimpfwort suchen, „unbezähmbare Weltlichkeit, die sogar die der Greulichin übertrifft. Beim besten Willen: Ich kann kein geistliches Potential in ihr entdecken, Pater Arno. Und mir nicht vorstellen, was Ihr in dieser Hinsicht an ihr finden könntet.“ Heftig. Resolut. Auf herablassende Weise von sich überzeugt. Sie hatte ihre Haltung nicht geändert. Arno war ja auch nur dieser sich hinter den Gitterstäben vor ihr duckende Sünder.
    Und es kam noch schlimmer. „Was seht Ihr in diesem Mädchen, Arno?“
    Wieder schien ihre Stimme von allen Seiten auf ihn zu zu kriechen, sich um ihn zu schlingen, ihm die Luft abzuschnüren. Von allen Seiten. Auf ihn zu. Was seht Ihr in diesem Mädchen, Arno? Was seht Ihr in diesem Mädchen? WAS SIEHST DU IN DIESEM MÄDCHEN, ARNO, WAS, WAS, WAS?  
    „Eine Auszubildende!“ Das war eine richtige Antwort, gut. „Eine Novizin, wenn Ihr so wollt.“ Das ebenso. „Wie die männlichen Novizen auch.“
    „Wie auch immer.“ Die gerunzelte Stirn der Äbtissin hatte sich nur unwesentlich geglättet. „Ich jedenfalls werde ihre Schonfrist beenden. Wenn sich bis jetzt keine der von Euch angekündigten Visionen gezeigt haben, dann wird es auch keine geben. In Zukunft werde ich sie, die Klosterregeln betreffend, behandeln wie jede andere auch.“
    Er musste raus. Raus aus dem Käfig des Redhauses. Was tat er noch hier? Diese Sache ging ihn doch überhaupt nichts an. Wie war es gekommen, dass er jetzt hier stand, nichts anderes tun konnte, als diese Frau durch das Klausurgitter hindurch anzustarren, die ohnehin diejenige war, die die Entscheidungen traf?
    „Tut, was Ihr nicht lassen könnt“, stieß er durch die Lücken des Gitters. „‚Was der Mensch sät, das wird er ernten!’“
    „Ich habe gesät und gesät – und bisher ist nicht der kleinste Keimling zu sehen. Stattdessen beginnt meine Saat zu gären und Gestank zu verbreiten!“
    Aus diesem Gestank stürzte Arno dem Ausgang entgegen. Die Tür aufreißend und seinen Mund, um seine Lungen mit der klaren, frostigen Luft vollzusaugen. Er trieb seine Beine den verschneiten Weg entlang. Als könnte er so allem, was ihn quälte, endgültig entfliehen.

Wenn's aber kommt, was man begehrt ...
     
     
    Gerade hatte Arno die Treppe zur Bibliothek erklommen und schritt durch die Regalreihen seinem Unterrichtszimmer entgegen – als ihn fröhliches Gelächter ereilte. Besonders fröhliches. Gelöstes. Georgs dunkles, Mathildas helles darüber. Keine Spur von der doch meist verkrampften Atmosphäre. Was hatte der junge Mann getan? Arno stürzte – gemäßigt – näher.
    „Jedenfalls solltest du dein Anliegen nicht auf die lange Bank schieben“, sagte Georg gerade – in einem Ton, als hätte er eine schwierige Aufgabe gelöst. Hatte er? Hatte er Mathilda endlich ...?
    Der Junge lehnte – tatsächlich entspannt, fast schon lässig – rücklings an Mathildas Tischkante und sah sie zur Abwechslung einmal direkt an.
    „Das heißt, du drückst mir die Daumen?“, fragte sie – und lächelte ihn strahlend an.
    „Also los!“ Gedämpft, sich im Murmeln verlierend – Arno konnte nicht mehr verstehen, was er weiter sagte. Nur wie Mathilda erneut hell auflachte, das war nicht zu überhören.
    „Habt Ihr nichts zu arbeiten?“, wies er die beiden im Vorübergehen zurecht. „Soll ich Euch neue Texte beschaffen? Nicht nachdem ich Euch über die alten geprüft habe, versteht sich.“
    Pflichtgemäß hatten die beiden sich ihm zugewandt,

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