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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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auf sie zu bewegend.
    Mathilda suchte die Stelle. Stutzte. Wandte sich ihm sofort wieder zu, stirnrunzelnd, weil sie ihr heißes Blut in den Wangen spürte.
    Sein Mund zuckte.
    Mathilda senkte den Blick. 'Denn Jesus will über alles geliebt sein', prangten ihr die Buchstaben entgegen. Jesus war der 'Liebste'. Und natürlich war sie zu verbohrt gewesen, das überhaupt in Erwägung zu ziehen.
    „Das gefällt Euch nicht?“, sagte Pater Arno leise. Unmittelbar neben ihr. Das dunkle, beinahe lockende Vibrieren in seiner Stimme ließ die Härchen in ihrem Nacken sich aufstellen. Neckte er sie?
    „Das ist der Kern unseres Lebens hier“, mischte Georg sich von ihrer anderen Seite wahrhaft leidenschaftlich ein. „Das, was Ihr uns beibringen wollt, Pater Arno. Wir sollen Christus über alles lieben – und diese Liebe allen Menschen zukommen lassen. Aus unserer absoluten Liebe zu ihm die Kraft schöpfen, die wir in Nächstenliebe umwandeln können. So sind die Stufen der Liebe miteinander verbunden: Wir überwinden die zu einem besonderen Liebsten, damit wir all unsere Liebe Christus zukommen lassen können. Und die anderen beiden Formen treten in eine Wechselwirkung. Dadurch können wir Gottes Willen auf Erden ausleben.“
    Auch mit anderen sprach Pater Arno über dieses Thema. Na klar tat er das, immerhin ging das alle an – besonders alle, die hier im Kloster lebten und die Liebe, wie sie unter normalen Menschen war, zu überwinden versuchten.
    „Das ist richtig, Bruder Georg, Ihr habt es begriffen“, wurde der von Pater Arno gestoppt. Dessen Lob eher desinteressiert klang. Mathilda sah er an. Gut, sie war es, die das noch lernen musste. Und die sich dabei zugegebenermaßen ziemlich widerspenstig aufführte. Aber was hatte die Liebe zu Gott mit der zu einem Menschen zu tun? Sie konnte beides. Und wollte keinen Gott, der Ausschließlichkeit von ihr verlangte!
    „Du musst immer an den lieben Gott denken, in jeder Sekunde deines Lebens“, hatte ihre allererste Lehrerin von ihr verlangt – eine Augustinernonne. Und Mathilda – hatte es versucht. Sie hatte Schwester Ruth gemocht und alles gemacht, was die ihr aufgetragen hatte. Die Buchstaben und Zahlen gelernt – und an den lieben Gott gedacht. Nur dass sie den zwischendurch immer wieder vergessen hatte. Nicht absichtlich, sondern nur, weil sich manchmal andere Dinge in ihre Gedanken gedrängt hatten.
    Sollte sie Pater Arno das fragen? Wie gerade er, der in seinem Kopf doch ständig mit allem möglichen Denken beschäftigt war, das schaffte?
     
    Georg hatte sich auf dessen Anweisung an seinen eigenen Platz und in sein griechisches Buch zurückgezogen. Ziemlich pikiert. Pater Arno war auch wirklich unberechenbar.
    Aber es war schön, dass er jetzt wieder neben ihr saß. Es war gut und spannend, mit ihm über diese Dinge zu reden. Er war wirklich sehr klug darin. Während Georg eben alles – zweifellos richtig – rezitiert hatte, spürte man bei Pater Arno, dass er selbst es war, aus dem dieses Wissen kam.
    „Lebt Ihr das so?“ Leise, falls er etwas dagegen hatte, dass sie ihm so persönliche Fragen stellte. „Habt Ihr die Menschen, die ihr liebtet, verlassen, um ausschließlich Gott zu lieben?“
    „Sonst wäre ich nicht hier.“ Laut und heftig. Aber dann senkte er die Stimme. „Und Ihr habt das in der anderen Rolle erlebt, nicht wahr?“
    Sie musste mehrfach schlucken, weil der Knoten ihren Hals heraufgekrochen kam.
    „Das macht es für Euch schwieriger, selbst diesen Weg zu beschreiten“, fuhr Arno fort. „Weil Ihr persönlich verletzt worden seid.“ Noch immer leise.
    Mathilda sah Georg mit verbissen zusammengepressten Lippen schreiben. So schnell, wie er schrieb, konnte er kaum nebenher lauschen.
    „Sebastian war schon immer sehr fromm“, begann sie, an Pater Arno gewandt. „Gott hat in seinem Leben eine große Rolle gespielt. Aber das hat ihn nicht von mir ferngehalten. Er hat es mit mir geteilt, wir waren uns nah. Und er war glücklich. Mit uns beiden. Warum konnte das nicht so bleiben? Warum hat Gott von ihm verlangt, mich aufzugeben?“
    Sie zuckte zusammen, als Pater Arno abrupt mit seinem Stuhl zurücksetzte und aufsprang. „Weil wir Ordensleute sind“, erklärte er heftig. „Von uns verlangt Gott alles!“
    Warum lief er nicht weg? Er hatte doch alles gesagt. Nun war es an ihr, diese Lektion endlich zu lernen. Oder ... Mutlos stützte Mathilda ihren Kopf in die Hände.  
     
     
    Sie litt noch an Sebastian. Deshalb konnte sie sich

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