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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Exkommunikation bedrohten Pater betreut zu werden?“
    „Es wird uns allen dreien eine Ehre sein“, strahlte der wackere Hartwig seinen Zweitlehrer an, und Arno ergriff die Gelegenheit, auf dem Absatz kehrtzumachen und in möglichst unauffälligem Tempo dem Männerkonvent zuzueilen. Ohne sich von 'seinen beiden da unten' zu verabschieden. Egal.
    Ging es bereits so weit, dass Heussgen etwas ahnte? Wenn er so von Georg und Mathilda sprach?
    Überhaupt. Heussgen. Arno würde sich irgendwann der Frage stellen müssen, ob von ihm als Novizenmeister verlangt wäre, den Einfluss seines revolutionären Freundes auf seinen Schüler zu unterbinden. Allerdings brächte er es gar nicht über sich, einem vielversprechenden jungen Geistlichen die Bereicherung durch einen so besonderen Mann wie Oekolampadius vorzuenthalten. Selbst wenn er auf diese Weise mit Luthers umstrittenem Gedankengut in Berührung kam. Doch diese Ideen waren da, goren inzwischen überall in der Welt der Kirche und waren dabei aufzugehen. War es da nicht viel besser für Hartwig, an einen wie Heussgen zu geraten, der alles gewissenhaft und klug durchdachte, der verantwortungsvoll prüfte, wie er die ihm aus dem Herzen sprechende Kritik konstruktiv umsetzen könnte, ohne die Kirche als solche über den Haufen zu werfen?
     
    Es tat gut, über andere Dinge nachzudenken, zu spüren, dass sein Gehirn noch ganz normal zu funktionieren imstande war. Schon viel ausgeglichener erreichte er seine Kammer und schlüpfte hinein. Dennoch musste er diese Gelegenheit nutzen, sich in Ruhe mit Mathilda auseinanderzusetzen. Entschlossen riss er die Fibel seines Mantels auf, ließ ihn mit einem Rucken seiner Schultern aufs Bett fallen und sich selbst mitten darauf. Atmete tief durch und rieb sich die Augen, wie um die Blindheit daraus zu vertreiben. Das war notwendig, denn solange er nicht richtig hinsah, würde dieses Mädchen ihn immer wieder aus dem Konzept bringen.
    Es war ihre Art, oder? Dieses überschwängliche, zügellose Sein. Das sich durch nichts eindämmen ließ, erst recht nicht von den rigiden Grenzen des Klosterlebens. Mathildas Wesen, welches ihm damals auf den ersten Blick ins Auge gesprungen war.
    Eine ganze Weile war sie wie gedämpft gewesen, hatte die Anspannung im Klassenzimmer dafür gesorgt, dass ihre Lebendigkeit nicht zutage hatte treten können. Nun jedoch spürte Arno sie wieder – so intensiv wie eh und je. Ungebrochen. Sie in ihrem Sosein, das dafür sorgte, dass alles, was sie dachte, ungebremst aus ihr hervorsprudelte – und ihn mitriss, ihm keine Wahl ließ, als ob ...
    Als ob was?
    Was war es denn, dessen er sich nicht erwehren konnte? Was tat sie denn mehr als dazusitzen, ihm Fragen zu stellen, mit ihm zu sprechen?
    Sie sprach mit ihm, sie sprach ihn an – und etwas in ihm antwortete ...
    Mit einem Ruck richtete er sich ein Stück weit auf, stützte sich auf die Ellenbogen. Merkte dann, dass er sich bewegen musste. Er konnte nicht länger hier liegen und an sie, über sie nachdenken. Heraus aus dem Bett musste er. Irgendetwas tun. Mit energischen Schritten begann er, neben seinem Bett auf und ab zu gehen, auch wenn es nicht mehr als zwei Schritte in jede Richtung waren.
    Was in ihm antwortete? Warum? Und warum war er zu blind, es zu sehen?
    Mathilda stellte ihn infrage. Das war es! Dieses Mädchen, so wie sie war, stellte das Kloster, das Göttliche, Arnos ganzes Leben vollkommen infrage. Allem, was ihm heilig war, widersprach sie diametral. Indem sie in allem, was sie tat, ausstrahlte, dass sie nicht dorthinein passte, niemals passen würde – aber auch gar nicht das Bedürfnis danach hatte.
    Was aber hatte das mit ihm zu tun? Was hatte sie mit ihm zu tun?
    Sie hätte ihn abstoßen müssen. Er sie ablehnen, sie von sich, in ihre Schranken weisen. Von ihm weg.
    Stattdessen war er – fasziniert. Von ihrem Unpassendsein, von ihrer Art, von ihr. Das war es.
    Er hatte seine Schritte beschleunigt, die Drehungen am Ende der Bahn folgten so schnell aufeinander, dass ihm schwindelig wurde. Doch er hatte endlich begonnen zu denken, hinzusehen, hatte endlich einen Zipfel der Wahrheit zu fassen bekommen und würde ihn nicht mehr loslassen.
    Die Frauen dort drüben hatten Mathildas Wesen ebenso erfasst wie er. Nahmen sie als Bedrohung wahr, die man bekämpfen musste. Und das versuchten sie. Indem sie sie bei der Äbtissin anschwärzten, ihr ihre Besonderheiten neideten, sie rachelüstern beäugten. Die Schonzeit, die die Örtlerin ihr gewährt

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