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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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abgestiegen und führte das ständig scheuende Pferd – vom beschaulichen Klosterleben offenbar ebenso verweichlicht wie er selbst – nun so rasch wie möglich durch die immer enger werdenden Gassen. Direkt vor ihm der Domberg mit der erhabenen Kathedrale. Das gewaltige Dach links davon samt kleinem Turm musste Sankt Georg sein. Daneben, am Marienplatz, so hatte man ihm gesagt, läge auch ein Gasthof, wo man sich gut um Pferde kümmere und wo er seines lassen wollte, um dann, endlich ... Nun fühlte sich sein klopfendes Herz schon beinahe nach freudiger Erwartung an.
     
    Arno stemmte sich gegen den Flügel des Tores in der Seitenwand der Kirche, schob sich hinein – und blinzelte irritiert. Da war keine kalte Düsternis, die ihn empfing, waren keine schweren Mauern, kein Kontrast zwischen der Dunkelheit im Kirchenschiff und den hohen Lichtpunkten der kleinen Fenster, wie er es gewohnt war. Hier war ... Licht. Luft. Leichtigkeit. Große Höhe, offen ineinander übergehende Bereiche, schmale, aber hochgewölbte Spitzbogenfenster, die die tiefstehende Wintersonne bis in den letzten Winkel dringen ließen, großzügige, sandfarbene Gewölbe auf zierlich wirkenden Säulen.
    Unwillkürlich war er nähergetreten, hinein in diesen einladenden Raum. Hier fühlte sich 'Kirche' vollkommen anders an. Es war richtig gewesen, Bertram erst einmal aufzuschieben. An diesem Ort konnte Arno erproben, ob er, weitab seines sonstigen Lebens, womöglich wieder fähig wäre zu beten.
    Seine Schritte hallten laut im ganzen Raum wider, beschleunigten sich ohne sein Zutun, strebten dem mit rotem Teppich belegten Aufgang zum Chorraum entgegen. Stufe für Stufe erklomm er, langsam und feierlich jetzt, hinauf zum Hauptaltar, der sich im Zentrum allen Lichts zu befinden schien.
    Doch dann war er oben – und musste verhindern, dass er rückwärts schwankte. Sich umblicken, in alle Richtungen, wo alles offen war, nichts begrenzt, nichts Schützendes. Er fröstelte, verschränkte die Arme vor der Brust. Nackt fühlte er sich plötzlich, ausgeliefert. Sämtliche Helligkeit hatte sich in bloße Kälte verwandelt.
    Im selben Moment zuckte er erneut zusammen, als von der Empore hinter ihm hingebungsvolles Gemurmel zu ihm herunterwehte – als habe man ihn ertappt, wie er untätig und aufrecht dastand - und nicht hierher gehörte.
    Und auf einmal fiel erstickendes Heimweh über ihn wie ein Netz, das engmaschig an seinem Gesicht klebte.
    Er liebte sie so! Seine so viel schlichtere, verwinkelte, gemütlich dämmrige Kirche mit dem Männerchor, dem Blick durch das offene Fenster in den Frauenchor, den beiden Rundgängen.
    Er liebte seinen Beichtplatz, den Versorgungsgang mit den im Sonnenlicht tanzenden Staubteilchen, die er nach all den Jahren noch immer riechen konnte, den dazugehörigen Blick auf den Innenhof mit dem Brunnenhaus, die Quelle des heiligen Alto. Er liebte das Skriptorium, seine Bibliothek, seine Unterrichtsstube. Er liebte ...
    Ja. Und eben diese Liebe bedeutete das Ende selbiger zu seiner Kirche. Und ... zu seinem Gott?
    Hastig stürzte er zum Altar. Fiel auf die Knie und spürte, wie in dieser Haltung das Gewicht seiner Last ihn zu Boden drückte. Zwang sich, den Kopf im Nacken, seinen Oberkörper aufrecht zu halten. Fixierte die geschlossenen Augen Jesu über ihm am Kreuz – und wusste bereits, er würde außen bleiben. Er konnte Jesus ansehen, die Erhabenheit des Altares, die Kerzen, die Gemälde – aber er war unfähig einzutauchen, sich im Glück dieses Anblicks aufzulösen, seine Gedanken zu Gott fließen zu lassen. Er konnte nicht beten. Es ging nicht. Auch hier.
    Und er würde es auch nicht länger versuchen. Stand abrupt auf und wandte sich dem Ausgang zu. Jetzt brauchte er Pater Bertram.
     
     
    Körbe voller Holzscheite zu tragen, war keine Arbeit, die auf Dauer zufriedenstellen konnte. Der Geist blieb dadurch unbeschäftigt – und so hatte Mathilda schon vor einiger Zeit damit angefangen, ihren Träumen nachzuhängen. Von den schönen Zeiten ihrer Kindheit, von ihrem Vater. Und natürlich von Arno. Sie stellte ihn sich vor – an ihrer Seite, strahlend vor Glück, wie er seinen Arm um ihren legte, ihn langsam um sie schob, um ihre Taille, sie nah an sich zog und derart eng umschlungen mit ihr durch einen Garten voller Sommerblumen schlenderte. Bienen summten in der von blühenden Rübsen honigduftgeschwängerten Luft.
    Diese Bilder waren so intensiv, dass sie zusammenzuckte, als sie zu Tertia gerufen wurde. Widerwillig

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