Und fuehre uns in die Versuchung
Gesicht, so weit es ging, in seinem eigenen Schoß.
„WAS erfüllt dich?“
Kein Erbarmen.
„Gott – Gott! Gott ...“ Seine Stimme versickerte.
„Ja?“ Eine Ermutigung. Eine Nachfrage. Die Entlarvung.
„Gott hat mich immer erfüllt“, begehrte Arno ein weiteres Mal auf. „Ich war glücklich! Alles war gut!“
„Und jetzt?“
„Dann ist sie gekommen.“ Er sprach in den Stoff seines Mantels, der über seinen Schenkeln lag. „Ich konnte nichts dagegen tun. Ich habe alles versucht, es zu verhindern. Habe nicht hingesehen, habe mich von ihr ferngehalten, habe sie von mir gestoßen, sie aus mir heraus geprügelt. Aber – ich konnte sie nicht aufhalten. Sie hat alles durcheinandergebracht. Alles.“ Sein Alles.
„Alles?“
„Sie ist da, in mir, die ganze Zeit. Ich werde sie nicht mehr los. Ich kann nicht mehr beten, weil ich aufpassen muss, dass sie sich nicht dazwischen schiebt. Ich kann mich nicht mehr in mir selbst versenken. Denn auch dort ist sie. Ich kann ihr nicht entkommen. Ich habe nicht die Kraft, sie wegzuschicken. Ich schaffe es nicht.“
„Willst du sie wegschicken, Arno?“
„Natürlich, ich ...“
„WILLST du?“
„Ich w...“ Er verstummte.
Stumm auch Pater Bertram. Stumm, doch umso unerbittlicher. Arnos verschlucktes Wort hallte von den Wänden wider.
Ich will ...
„Du willst sie nicht wegschicken.“
War das so? – Das konnte doch nicht so einfach sein!
„Ich kann sie nicht wegschicken wollen. Ich will ...“ Ich will sie! Ich will sie, ich will sie, ich will, sie! Arno kniete aufrecht, seine Beine mit der Kraft seiner hineingekrallten Hände am Aufspringen hindernd.
„Du willst sie nicht wegschicken“, wiederholte Bertram ruhig.
Die angestaute Luft entwich Arnos Lungen. Er atmete ein und aus. Kniete da vor seinem alten Beichtvater und sah ihn an, der seinen Blick ernst erwiderte.
„Ja.“ Das war seine Stimme gewesen. Ebenso wie es seine Beine waren, die ihn auf die Füße brachten. Sein Mund, aus dem die Worte plötzlich ganz leicht kamen. „Du hast recht. Ich liebe sie. Ich will sie nicht wegschicken, weil ich sie liebe.“
Arno nickte. Das erkannt zu haben, war gut. Es war viel leichter zu atmen. „Aber ...“ Er blinzelte verwirrt. Wie ging es nun weiter?
„Aber ich muss es doch trotzdem tun! Ob ich will oder nicht. Ich muss sie opfern.“
So war es doch. Auch wenn er sich gerade jetzt sein Hirn zermarterte, weil er sich nicht erinnern konnte, warum das so war.
Pater Bertram wog den Kopf. „Ich denke, dass ein gewaltsamer Verzicht auf die Erfüllung eines so essentiellen Bedürfnisses auf die Dauer dazu führt, dass wir unglücklich werden. Verkümmern. Und die ganze Liebe in uns eingeht. Die Liebe, die uns zu guten Priestern macht. Ein verbitterter Priester ist ein schlechter Priester.“
„Du meinst, ich kann kein guter Priester mehr sein?“
„Bist du noch ein guter Priester?“ Das war eine ehrliche Frage gewesen.
Arno biss die Zähne zusammen. Er kreiste unentwegt um Mathilda, um seine Gefühle für Mathilda, er konnte Gott nicht mehr erreichen, er war nur noch damit beschäftigt, sich zu quälen, weil ...
„Ich bin kein guter Priester mehr.“ Sein Husten fast ein Speien. Das tat so weh! Aber es war die Wahrheit. „Ich bin überhaupt kein Priester mehr.“
„In deinem jetzigen Zustand“, schränkte Pater Bertram ein. „Solange deine Existenz so sehr durchdrungen ist von der Liebe zu dieser Frau, kannst du Gott nicht das geben, was er von einem guten Priester verlangt.“
„Alles nämlich.“ Nur ein Krächzen aus seiner Kehle.
„Ja.“
Arno schluckte. „Das heißt“, schluckte wieder. „Das heißt, meine Entscheidung ist schon gefallen?“
„Nun ja. Du hast zugelassen, dass diese Frau diesen immensen Stellenwert in deiner Person einnimmt. Dadurch bist du kein Priester mehr. Aber das kann sich auch wieder verändern. Und du weißt, dass Gott dann bereit ist, dir zu vergeben. In dem Moment, wo du dich von ihr abwendest und deine Abkehr von Gott von ganzem Herzen bereust, wird Gott dich zurücknehmen. Das weißt du.“
Nein, das geht nicht!, war alles, was Arno einen Moment lang zu denken in der Lage war. Und auf einmal wusste er es wieder. Selbst wenn ich eines Tages in der Lage wäre, Mathilda zu bereuen, so bleibt noch immer meine Sünde an Rosa. Gott wird mir das niemals verzeihen – und genau aus diesem Grund wird er mir niemals erlauben, mit Mathilda glücklich zu werden.
Er hatte keine Wahl. Weder
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