Und fuehre uns in die Versuchung
Person befand, sie würde sofort den richtigen Schluss ziehen. Und damit Mathilda als Schwindlerin entlarven. Warum hatte sie nicht von einer Frau gesprochen, als sie von ihrer Vision berichtet hatte? Dann könnte es Zufall sein, wenn sich gleichzeitig mit ihr einer der Mönche in der Kirche befand. Das würde Arno – und damit sie - zumindest ein bisschen schützen. So aber ... Sie musste Arno dazu bringen, sich nicht zu zeigen, bis die Äbtissin gekommen, gelauscht, alles zu ihrer Zufriedenheit vorgefunden hatte und wieder verschwunden war.
Das war schwierig, bedurfte einiger Planung. Wie viel Zeit würde ihr wohl bleiben, um Arno vorzuwarnen? Und sollte sie ihm diese zurufen?
Während sie den Korridor entlanghastete, legte sie sich einen notdürftigen Plan zurecht.
Arno saß – dem äußeren Schein nach in intensivem Gebet versunken – auf seinem Platz im Männerchor und wartete. Nach der Messe war er gleich hiergeblieben, um sie ja nicht zu verpassen. Seitdem saß er, lauschte auf sämtliche Türen und wunderte sich, dass er tatsächlich hier war. Es war Wahnsinn, nach wie vor.
Die Dreistigkeit, sich im Rahmen der Kommunion ihre Liebe zu gestehen, war schier nicht zu überbieten. Sich in der Kirche ein Stelldichein zu geben, die jederzeit für alle Ordensleute offen war – besonders in der sonntäglich so großzügig bemessenen Rekreationszeit, war jedoch kaum weniger schamlos. Und war es wirklich notwendig?, fragte er sich zum wohl tausendsten Male, während er auf ein Knacken im Kirchenschiff hin zusammenzuckte. Eine Maus, vermutlich.
Die drei Frauen mussten instruiert werden, damit ihre morgige Flucht reibungslos ablaufen konnte. Zeit, Ort, Vorkehrungen. Das war unumgänglich, kein Zweifel. Wenn man von der kleinen Nebensächlichkeit absah, dass sich Heussgen wahrscheinlich gerade jetzt oben im Skriptorium aufhielt und Katharina ein Buch reichte, in dem ein Zettel mit allen relevanten Informationen steckte, zusammen mit der Anweisung, ihn unmittelbar nach dem Lesen im Ofen zu verbrennen.
Nein, es ist nicht notwendig, dass ich hier bin , dachte er tapfer. Es ist und bleibt Wahnsinn, uns hier zu sehen, zu treffen, zusammenzusein. Und dennoch war er hier. Weil er sie sehen musste, sehen, ob sie wirklich kam, ob sie ihn noch immer ...
‚Am...o!' Das war wunderbar gewesen, mutig und klug und – einfach unwiderstehlich. Sie war unwiderstehlich – und deshalb war er hier.
Da, die Tür. Ihm direkt ins Herz fahrend, welches sich daraufhin in sämtlichen Innereien zu verteilen schien. Er konzentrierte sich auf die eintretenden Schritte. Sie ist es. Sie ist tatsächlich gekommen.
Ohne Zeit zu verlieren, begann sie zu singen:
„Herr, früh wolltest du meine Stimme hören; früh will ich mich zu dir schicken und aufmerken.“
Hatte er einen Jubelpsalm erwartet? Innige Lobpreisungen oder wenigstens Sehnsucht? Nach diesem hingebungsvollen Liebeslied, das sie ihm zu Ehren gesungen hatte, als sie ihn noch aus der Ferne hatte herbeiwünschen müssen? Und nun, da sie erwartete, dass er zu ihr kam – sang sie Psalm fünf mit diesem sachlichen Vers?
„Herr, erhöre die Göttin der Gerechtigkeit, merk auf mein Geschrei; vernimm mein Gebet, das nicht aus falschem Munde geht.“
Was? 'Göttin der Gerechtigkeit'? Iustitia. Mehr als fehl am Platz in einem christlichen Psalm. Der obendrein ein anderer war als der erste, Psalm siebzehn nämlich. Arno saß kerzengerade und horchte mit aller Kraft.
„Meine Seele soll fliegen wie ein Vogel auf eure Berge. Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen und legen ihre Pfeile auf die Sehnen, damit heimlich zu schießen die Frommen.“ Wieder ein anderer, Psalm elf.
„Ach Herr, wie ist meiner Feinde so viel und setzen sich so viel wider mich!“ Das wieder Psalm drei.
Auf Arnos Gesicht hatte sich ein stolzes Lächeln ausgebreitet. Wie klug sie war, seine Mathilda! Sie sang, um ihn zu warnen. Vor dem Feind – der Göttin der Gerechtigkeit. Damit konnte sie nur die Örtlerin meinen. Befürchtete sie, dass die kommen würde?
„Hilf mir von allen meinen Verfolgern und errette mich, dass sie nicht wie Löwen meine Seele erhaschen und zureißen, weil kein Erretter da ist“, sang Mathilda unermüdlich.
Oh ja, ich werde dich retten! , begann eine kindische Stimme in ihm zu trällern. Ich werde jeden Löwen eigenhändig zerreißen, bevor der auch nur auf die Idee kommt, deine Seele zu erhaschen!
Hastig räusperte er sich. Er musste ihr antworten, ihr zeigen,
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