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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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das nun bis in letzter Konsequenz bewusst war oder nicht.
    Die Augen der Örtlerin blitzten zu ihm herüber. „Wie soll ich das ändern? Wenn Klosterregeln übertreten werden, muss das im Kapitelsaal geahndet werden. Damit muss das Mädchen leben.“
    Arno zog gemächlich eine Augenbraue hoch und trat seinerseits näher ans Gitter, um seine Stimme wirkungsvoll senken zu können: „Die Sache ist die, dass sie es eben nicht muss – solange sie ihren Vater im Hintergrund hat, der sie jederzeit zurückholen und doch lieber verheiraten könnte. Was das Richtige für dieses sich so schwer einpassende Geschöpf wäre, das müsst Ihr zugeben.“
    „Ihr Vater wollte, dass sie herkommt.“
    „Wenn sein Töchterchen ihm tränenreiche Briefe schickt, wird er das nicht mehr wollen.“
    „Die Briefe können wir kontrollieren.“
    „Sie wird einen Weg finden, Mutter Örtlerin, macht Euch nichts vor. Und wenn sie direkt nach Hause flieht.“
    „Was wollt Ihr von mir, Pater Arno?“, kam nun in misstrauischer Schärfe zu ihm her. Dumm war sie natürlich auch nicht.
    „Ich wollte Euch die Möglichkeit geben, ihr zunächst einmal einen, äh, gewissen Schonraum einzuräumen. Ihr müsst bedenken, dass sie noch sehr jung ist – und wohl auch davon abgesehen kein einfacher Fall aufgrund ihrer Wesensart. Ihr solltet ihr ein wenig Zeit lassen, sich allmählich einzugewöhnen.“
    „Ich soll ihr einen Freibrief geben? Wofür?“
    „Das habe ich nicht gemeint. Ich würde lediglich vorschlagen, im Kapitel nachsichtig mit ihr zu sein. In den ersten Wochen. Und in Grenzen, selbstverständlich“, fügte er vorsichtshalber hinzu, damit sie nicht von vornherein widersprechen würde.
    Die Äbtissin zögerte. „Das kann ich nicht verantworten“, kam dann trotzdem. „Ich kann ihr nicht erlauben, Regeln ungestraft zu übertreten. Ich wäre verraten und verkauft. Das müsst Ihr doch verstehen.“
    Im Schnelldurchgang ordnete Arno seine Argumente neu. „Natürlich darf auch Mathilda nicht bewusst Regeln übertreten“, räumte er ein. „Zum Beispiel muss sie lernen, das Silentium einzuhalten, keine Frage. Nur wenn sie solche Regeln verletzt, die sie noch gar nicht als Regeln wahrnimmt ...“
    „Wie sonst soll sie die dann lernen? Und vor allem: Wovon sprecht Ihr, Pater Arno? Findet Ihr es nicht ziemlich seltsam, dass Ihr hier stundenlang um den heißen Brei redet für eine junge Postulantin, die Ihr ...“
    „Ihr kennt mich als durchaus fähigen Seelsorger“, vereitelte er, dass sie ihren Satz vollendete. Wohinein hatte er sich hier manövriert? „Mathilda Finkenschlag ist ein schwieriger Fall.“ Er musste aufpassen, dass sich sein Einsatz nicht gegen sie verkehrte und die Örtlerin lediglich den Druck auf sie erhöhte. „Aber sie ist äußerst bemüht – und bereit, sich mir als ihrem Priester anzuvertrauen. Ich kann sie dabei unterstützen, sich trotz allem ins Leben hier im Kloster einzugewöhnen – wenn Ihr währenddessen dafür sorgt, dass der Druck, der auf ihr lastet, nicht ausartet.“
    Vorerst hatte die Örtlerin vage genickt.
    Er schöpfte tief Atem. So hatte er es ganz gut hinbekommen. Aber die Hauptsache fehlte leider noch. Sein Plan war noch sehr unausgegoren – aber vielleicht wäre es sowieso besser, in diesem Punkt uneingeschränkt ehrlich zu sein.
    „Das Mädchen ist in der Lage, eine seelsorgerische Beziehung zu mir zuzulassen“, formulierte er vorsichtig. „Nur muss ich sie zuweilen noch zurechtstutzen, wenn Ihr versteht, was ich meine.“
    Jetzt nickte sie nachdrücklicher.
    „So ist sie zuweilen so beschäftigt mit ihren theologischen Fragen“, ja, das hatte er gut gesagt, „dass sie den Rahmen vergisst und plötzlich ganz spontan daherredet – so zum Beispiel eben während der Beichte.“
    Der Örtlersche Blick wurde beunruhigend forschend.
    „Sie ist dann vollkommen eingenommen von ihrem Zwiegespräch mit ihrem Innern – mit Gott – dass sie meine Anwesenheit vollkommen aus den Augen verliert, versteht Ihr?“ Oh, Arno, du redest dich um Kopf und Kragen!  
    „Hat sie Visionen?“ Nun durch und durch gespannt war sie näher an das Gitter herangerückt.
    Arno wand sich, nicht sichtbar für die ihn eifrig musternde Nonne. „Sagen wir so: Sie steht in intensivem Kontakt zu ... ihrer höheren Bestimmung.“ Er atmete ein.
    „Warum sagt Ihr das nicht gleich?“ Die Äbtissin richtete sich auf. „Ihr meint also, ihr geistliches Potential erfordert es, dass wir vorerst ...“
    „Dass wir

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