Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
dringend Schnittlauch brauche. Entspann dich, sagte ich mir zornig und eigentlich wenig gewillt, mich zu entspannen. Wie schön die Pfingstrosen blühten, versuchte ich mich abzulenken. Und die Rosen an unserem Rosenbogen blühten mit dicken, samtigen Blüten, obwohl ich sie im Zorn ganz unsachgemäß zurückgeschnitten hatte. Dann atmete ich noch einmal tief durch, aber dadurch besserte sich meine Stimmung auch nicht.
Wenn ich gedacht hatte, dass mir im Garten weniger passieren konnte, hatte ich mich getäuscht. Denn kaum war ich beim Schnittlauchbeet, fiel mich eine zornige Honigbiene an, die anscheinend nur darauf gewartet hatte, dass endlich ein Mensch ihren Weg kreuzte. Sie stach mich mit einer solchen Inbrunst in den Oberschenkel, dass ich kreischte.
Der blöde Schnittlauch, der blöde. Der war an allem schuld. Es waren wirklich alle gegen mich, so viel war gewiss. Ich würde mich am besten in einem abgedunkelten Raum vor meinen Laptop setzen und über Leute nachdenken, die der Welt mitteilten, dass sie aufs Klo mussten. Ich bückte mich, um den pumpenden, abgerissenen Hinterleib der Biene herauszuziehen.
Dass mir die Biene vermutlich das Leben gerettet hatte, erkannte ich kurz darauf.
Plötzlich knallte es furchtbar laut, direkt neben mir, wie mir schien. Ich meinte, einen Lufthauch zu spüren, nicht weit entfernt von mir splitterte Holz, und ich hatte das Gefühl, dass mir schwindelig wurde.
»Die Russen kommen«, kreischte die Reisingerin wie wild aus dem Nachbarsgarten. »Die derschießen uns alle!«
Für einen Moment sah ich nur helle rasende Kometen vor meinen Augen, weil ich zu schnell aufgestanden war. Dann kapierte ich erst, dass das ein Schuss gewesen war. Und zwar direkt neben mir. Ich warf mich auf den Boden und begann zu beten.
»Die Russen«, schrie die Reisingerin noch immer. »Jetzt is alles aus!«
Diese aufmunternden Worte halfen jetzt überhaupt niemandem. Konnte die dumme Kuh nicht einfach ins Haus rennen und den Schorsch anrufen?
»Die Russen«, hörte ich noch einmal in weiter Entfernung eine Stimme. Das mit den Russen wäre vermutlich das einfachere Problem gewesen. Die hätten eine Bombe abgeworfen, und es wäre aus mit mir gewesen, ohne dass ich mich lange hätte fürchten müssen. Während ich so auf dem Bauch lag und mir die Ohren zuhielt – ich wollte wenigstens nicht hören, wenn ich erschossen wurde –, konzentrierte ich mich nur auf eines. Das Gefühl von struppigem Gras im Gesicht und einer Nase voller Steinchen. Was für ein Ende. Hätte ich doch nur, dachte ich mir. Ja, was? Meinen Artikel über Facebook zu Ende geschrieben? Abgespült? Über Abnehmen ohne Anstrengung gegoogelt? Mit Max Telefonsex gehabt? Es knallte nicht noch einmal. Das konnte nur eines bedeuten: Der Attentäter näherte sich mir, vermutlich, damit er genauer zielen konnte. Wäre ich doch nur davongerannt, anstatt hier dumm herumzuliegen! Aber ich war wie gelähmt vor Angst, in den Lauf einer Flinte gucken zu müssen.
Und da sah ich sie schon. Schuhe, die in mein Gesichtsfeld traten. Ich begann zu quietschen und presste die Augen zu. Als ich damit aufhörte, sagte Großmutter neben mir: »Was machst du denn da?«
In meinen Ohren bumperte mein Herz so laut, dass ich es wahrscheinlich gar nicht mitbekommen hätte, wenn ich erschossen worden wäre.
»Wenn g’schossen wird, musst reingeh’n«, erklärte sie mir. Sie klang dabei sogar ein klein wenig ärgerlich, als wäre mein Verhalten der Grund, dass auf mich geschossen wurde. Das hörte sich nach jeder Menge Kriegserfahrung an, die mir einfach abging.
»Pass auf«, flüsterte ich und presste wieder die Augen zu. Vielleicht wurde jetzt erst Großmutter erschossen und dann ich. »Vielleicht ist er noch da.«
Aus einiger Entfernung hörte ich eine Sirene, die rasch näher kam. Endlich einmal ein cooler Einsatz für den Schorsch. Und endlich einmal freute ich mich wirklich, ihn zu sehen.
»Der soll sich trauen«, sagte Großmutter böse. »Bei uns im Garten rumballern, als wären wir im Wilden Westen.«
Ich hörte noch eine Sirene, die sich mit der Polizeisirene unschön mischte. »Wo bist denn getroffen?«
Ich rappelte mich auf, denn wenn Polizei und Feuerwehr schon so nahe waren, konnte doch eigentlich nichts mehr passieren.
In der nächsten Sekunde waren wir umstellt vom Schorsch und von ein paar Feuerwehrmännern. Nämlich dem Schmalzl, dem Metzger, dem Troidl, dem Mane und dem Loisl.
»Nix passiert«, erklärte Großmutter. »Schauts
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