Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
hin und wieder so einen Schub gehabt.«
»Schub?«, wollte Maarten mit einem angestrengten Blick wissen.
»Die Suppe«, sagte ich vorsorglich noch einmal. Das, was jetzt kam, wollte bestimmt keiner hören. Das Einzige, woran ich mich sehr gut erinnern konnte, war, dass der Reisinger hin und wieder einen richtig grässlichen Kommunikationsschub gehabt hatte. Dann blieb er am Gartenzaun stehen und erzählte stundenlang von seiner Kriegsgefangenschaft auf Kreta. Und dass er ja erst 1948 heimgekommen sei. Das Schlimmste an seinen Erzählungen war, dass er mir für immer und ewig den Appetit auf Sultaninen verdorben hatte. Er hatte nämlich behauptet, dass die Sultaninen immer auf Eselsmist getrocknet werden.
Als die Reisingerin meinen ungläubigen Blick sah, erklärte sie sich selbst. »Gicht. Weißt noch, Annl. So a Gicht hat er g’habt. Einmal ist er beim Schmalzl g’wesen und hat so einen Gichtanfall g’habt, und dann musste er auf den Knien heimkrageln.«
Großmutter und ich sahen die Reisingerin verständnislos an. Wieso sollte der Roidl Anton mit einem Gichtanfall durch den Wald robben? Das hörte sich komplett abstrus an. Um dann noch von der Marlis erschossen zu werden, akkurat wenn man seinen Gichtanfall hat. Das war ziemlich die Härte.
»Der Peter hat schon immer viel Durst g’habt«, sagte Großmutter schließlich und schnalzte mit der Zunge. Mir drückte sie ihre grässliche Schneckenschere in die Hand.
»Ja. Aber trunken hat er ned«, verbesserte die Reisingerin sie. »Durst schon. Aber so einen Gichtanfall kriegst, obst jetzt Durst hast oder ned.«
Großmutter schubste mich endgültig Richtung Tür, und ich zog den etwas antriebsschwachen Maarten hinter mir her. »Des werden die schon rauskriegen«, sagte sie zum Abschied und sperrte unsere Haustür auf. »Die von der Pathologie.«
»Aber ob die untersuchen, ob er einen Gichtanfall g’habt hat?«
Der Roidl Anton und Gicht. Ich verdrehte die Augen und ließ mich von Großmutter in den Flur schieben. Die Schere legte ich mit spitzen Fingern auf das Schuhkastl.
»Dreh die Suppn runter«, sagte sie als Erstes, während ich noch die Stimme von der Reisingerin im Vorgarten hörte. Anscheinend erzählte sie sich selbst eine Weile von den Gichtanfällen.
»So ein Schmarrn«, sagte sie. »Der Peter Reisinger, der hat so einen Durst g’habt, dass er öfter mal auf den Knien heim ist. Ist ja ned weit. Will ned wissen, wie viele Hosen der durchg’rutscht hat.«
»Was ist denn mit dir los?«, wollte ich von Maarten wissen und schob ihn in Richtung Eckbank.
»Ich weiß jetzt, wer der Kompagnon ist. Von dem Roidl Anton«, lallte er etwas undeutlich und hauchte mir seine Alkoholfahne ins Gesicht. Ach ja. Der Dings mit dem strassbesetzten Leopardenstringbeutel.
»Sag mal, bist du betrunken?«, fragte ich misstrauisch und schnupperte.
»Du hast gesagt, ich muss mehr auf Kumpel machen«, antwortete er weinerlich.
Ach ja. Und der Schmalzl, der vertrug einfach ne ganze Menge Alkohol. Der Maarten offensichtlich nicht.
»Schon gut. Hauptsache, wir wissen, wer der Kompagnon ist … und?«
»Der Schmid«, ächzte Maarten und legte sich ausgestreckt auf die Eckbank.
Der Schmid?
»Welcher Schmid?«, wollte ich wissen.
»Der Dr. Schmid«, setzte er kraftlos hinzu.
Der Tierarzt?
»Der Dr. Schmid hat einen Stringtanga und will swingen«, sagte ich vorwurfsvoll zu meiner Großmutter. »Wieso hast du mir das nicht gleich gesagt?«
»Weilst halt ned zuhörst«, sagte Großmutter und verschwand in der Speisekammer.
Schlecht gelaunt setzte ich mich neben Maarten und sah ihm zu, wie er sich selbst leidtat.
»Du hältst auch nichts aus«, kritisierte ich ihn. »Wie viel hast du denn getrunken?«
Das wusste er auch nicht mehr so genau.
»Das musst du auf jeden Fall dem Max sagen, hörst du.« Ich persönlich konnte mir gar nicht vorstellen, dass der Schmid den Roidl umgebracht haben sollte, Swingerklub hin oder her. Wieso ein im Wald herumkriechender Roidl von einem Tierarzt mit Tigerlily-Stringtanga erschossen werden sollte, war irgendwie seltsam. Vor allen Dingen, weil anscheinend schon länger klar gewesen sein musste, dass sich der Schmid aus der Swingersache ausgeklinkt hatte.
»Wollte der Schmid denn den Klub verhindern oder bloß nicht mehr mitmachen?«, fragte ich nach. »Vielleicht musst du mehr in die Richtung ermitteln, wer den Klub verhindern wollte.«
Und wer hatte etwas gegen den Swingerklub? Der Metzger jedenfalls nicht. Der war nämlich der
Weitere Kostenlose Bücher