Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
Vom Netzwerk:
Rettung. Ihr Kunstgeschichtsstudium kann mir wirklich noch nützlich sein.
    Gletscherweiß. Elfenbeinweiß. Perlweiß. Arktisweiß. Ich schlafe in einer Polarlandschaft ein, glücklich über mein neues Projekt.

     
     
    Mailand, den 25. Februar 2003
Via Londonio 8
     
    Lieber Federico,
    es ist schon mitten in der Nacht, ich bin erschöpft, gleichzeitig aber zu aufgeregt, um Dir nicht zu schreiben. Ich bin schon im Bett, in einem ausgemusterten Schlafanzug von Mattia und mit Frotteesocken. Die angenehme Seite des Alleinlebens besteht darin, dass man mit einer 70-Euro-Gesichtsmaske unter die Bettdecke schlüpfen kann, ohne dass jemand einen dummen Kommentar abgibt. Im Moment bin ich zwar nicht präsentabel, aber dafür hochzufrieden: Seit heute bin ich Eigentümerin des »Gasthauses zur Lust und zur Liebe«, ein Literaturcafé oder eine Buch-Brasserie (such Dir eines davon aus). Die Einweihungsparty war großartig. Viel Presse war da, außerdem zahllose Neugierige und Leute, die zufällig vorbeikamen, die Beleuchtung sahen und einfach mal hereingeschaut haben. Und natürlich meine Stammkunden. Cecilia tauchte mit einem etwa dreißigjährigen Mann in blauem Lodenmantel und dezent gestreifter Krawatte auf, aber mir blieb keine Zeit zu fragen, ob es ihr neuer Freund war. Signor Frontini kam um acht mit ein paar Freunden und einem Strauß blassgelber Röschen, und Gabriella hatte alle ihre Kolleginnen mobilisiert. Alberto strahlte, man konnte fast das Euro-Zeichen in seinen Pupillen blinken sehen, und sogar Camillo war da, zusammen mit der Infektiologin, die seine Stimmung gehoben (und seinen Kittel aufgeknöpft) hat. Sie ist einer dieser dunklen Frauentypen, die sich gut gehalten haben und __ hört, hört __ begeisterte Romanleserin. Das Büffet (inklusive Nachspeisen!) hat mir einen Haufen Komplimente eingetragen, stell Dir vor, mein Lieber. Wir haben einfach all das gereicht, was man später auch auf der Tageskarte finden wird: eine Auswahl an literarischen Fantasien, köstliche Sandwiches mit klangvollen Namen. Abends wollen wir das
Café in eine Bar mit alkoholfreien Getränken verwandeln. In der schönen Jahreszeit kann man den Innenhof nutzen, wo Schlingpflanzen und Blumen wachsen. Alice hat ein Schild angebracht: GÖNNT EUCH EINE PAUSE __ STELLT EUER HANDY AUS. Es hängt neben der Botschaft für Diebe, die ich Dir verdanke. Man hat kein Gebimmel mehr gehört, nur noch einen Hühnerhaufen menschlicher Stimmen.
    Ich küsse Dich und schlafe dann glücklich ein,
    Emma
     
     
    Es ist ein vorfrühlingshafter Morgen. Es sollte »der« Morgen werden. Ein Mann um die dreißig (es könnten auch fünfunddreißig sein, wenn er sich gut gehalten hat) läuft in Drillichjacke und Samtjeans zwischen den Büchern herum, als wären es Bäume in einem Wald, in dem er Verstecken spielt. Er ist groß, sportlich, hat braune Locken und den Anflug eines Barts auf den Wangen. Die Armelbündchen sind abgewetzt. Er trägt einen Shetland-Pullover, einen orangefarbenen Schal aus Yakwolle, und seinem Blick scheint jeder Gedanke an Wettbewerb fremd zu sein. Vor dem Tisch mit den »Unabänderlichen Schicksalen« bleibt er stehen und überfliegt den Klappentext von Die Clique von Mary McCarthy. Seine Finger sind lang, und die Nagelhaut an den runden Fingernägeln ist leicht gerötet. Am Handgelenk trägt er eine Plastikuhr. Alles in allem vermittelt er einen stimmigen Gesamteindruck. Es ist nicht meine Art, die Kunden zu unterbrechen, ich ermuntere sie vielmehr mit einem Kopfnicken, sage etwas in der Richtung wie »Willkommen, fühlen Sie sich wie zu Hause, und falls Sie Fragen haben, fragen Sie ruhig«. Dafür ernte ich fast immer ein Lächeln. Der junge Mann hat ein entwaffnendes Lächeln: naiv, sanft und gleichzeitig ein wenig verschmitzt. Ich bin mir sicher,
dass ich ihn noch nie gesehen habe, und doch werde ich das Gefühl nicht los, ihn zu kennen. Ich könnte ihn ansprechen und ihm sagen, dass das, was er da in Händen hält, ein Frauenroman ist, noch dazu einer aus den Sechzigern, als er mit Sicherheit noch gar nicht geboren war, und dass ich mich nicht an das Ende erinnere. Er würde denken, dass ich kleinkariert bin, dass es überhaupt keine Frauen- oder Männerromane gibt und dass ich mich sowieso nicht in anderer Leute Angelegenheiten einmischen sollte. Jetzt lehnt er sich an die Wand, irgendwie gedankenverloren, und richtet den Blick nach oben. Aus der Art, wie er sich bewegt, schließe ich, dass er die Anordnung der Titel kennt.

Weitere Kostenlose Bücher