Und jede Nacht ist Halloween
wir uns nicht bald Wiedersehen, wenn ich mich nicht bald zwischen Deinen Beinen vergraben kann, das heißt also diese Woche, werde ich wahnsinnig. Also jetzt weißt Du, daß Du mich hast. Ich gebe alle Kontrolle auf. Merkwürdig, sich vorzustellen, daß ich dachte, Du würdest mir noch mal hinterherrennen. Ich hätte es wissen sollen.« Das war’s. Keine Unterschrift, keine Adresse.
Alex schlug Penelope vor, Winston habe den Brief an sie geschrieben. Sie sagt: »Mein Geruch? Ich trage Joy von Patou. Ich dufte wie jede einzelne meiner Freundinnen. Einzigartig? Benebelnd? Ich bitte Sie.«
Alex schürzte die Lippen und sagte: »Ich glaube nicht, daß er den Duft an Ihrem Hals meinte.« Sie errötete vom Ausschnitt bis zum Haaransatz, wie Kirschsaft, der durch einen Strohhalm aufsteigt.
»Wenn Sie das meinen, was ich glaube, daß Sie meinen«, sagte sie, »das hat er für mich nie getan. Ich habe ihn gebeten, aber er hat sich jedesmal geweigert. Er kann also gar nicht wissen, wie ich rieche.«
Ich sah mir Penelope Bradshaw eingehend an, und Visionen des Jungfrau-Hure-Phänomens knüppelten sich in meine Gedanken hinein. Sie war zierlich, teuer gekleidet, geschrubbt und rosig, als ob sie fünfmal täglich duschte. Sie war jungfräulich — und ich meine das nicht als Beleidigung. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es immer noch Männer da draußen gab, die fanden, Frauen, die man heiratet, seien für experimentellen Sex nicht vorgesehen, oder daß Cunnilingus etwas anderes als eine Grundvoraussetzung für den Geschlechtsverkehr sein kann. Daß ein Mann seine Frau ihrer Lust berauben könnte, um seine sexuelle Kühnheit für seine Geliebte aufzuheben, war schon jenseits einer Fehleinschätzung und im Grunde eine Parallele zu der Art von Frauenfeindlichkeit, mit der ich mich in Frauenforschungskursen an der Uni befaßt hatte. Schon allein das machte mich wütend. Ich sollte außerdem erwähnen, daß ich damals heftig in Alex verliebt war, und Penelope in ihrer Reaktion auf den Treuebruch ihres Mannes zu beobachten schwemmte eine mitleidsvolle Welle durch mein Herz. Der Gedanke, Alex könnte eine andere Frau berühren oder für sie etwas tun, was er für mich nicht täte, war lähmend. Das einzige, was er nicht machen wollte, war, mit mir ein Bad zu nehmen. Keine Ahnung, warum.
Meine Erkältung setzte eine Woche nach Penelopes erstem Besuch bei uns ein. Bis zu dem Zeitpunkt hatten wir es geschafft, Winstons Rendezvous-Idylle ausfindig zu machen, ein Loft in Soho. Allerdings mußten wir noch Genaueres über die fragliche Dame ausfindig machen. Bei jedem von Winstons Besuchen (ungefähr zweimal die Woche) kam innerhalb einer Stunde nach seiner Ankunft ein Lieferant eines chinesischen Restaurants dorthin. Wir konnten uns natürlich nicht sicher sein, daß Winston das Essen bestellt hatte, aber in einem von Penelopes Heulanfällen, wie zauberhaft doch Winston sei, erzählte sie, daß er am liebsten chinesisch aß. Unser Schlachtplan: Ich würde den Lieferjungen bezahlen, und Alex würde an seiner Stelle hochgehen. Wenn Winston, oder die Frau, an die Tür käme, würde Alex das Essen in die Küche tragen und alles und jeden in seiner Nähe mit seiner Trick-Knopfloch-Kamera aufnehmen — der Auslöser war mit einem Draht, der in seiner Jackentasche steckte, verbunden. Der Plan hinkte, aber mein Fieber näherte sich 41 Grad. Ich fühlte mich kurz vor dem Tod und konnte nicht mehr auf eine bessere Idee warten.
Außerdem war der Fall für mich ein persönliches Anliegen geworden. Dieser männliche Verrat hatte sich so heftig in mein System eingefressen wie die Erkältung, und ich fing an, mir jede Frau auf der Straße vorzustellen, wie sie sich gerade mit Alex in der Badewanne einseifte. Rational konnte ich meine Halluzinationen auf meine Krankheit zurückführen. Aber im Interesse meiner körperlichen und geistigen Gesundheit sowie meiner Beziehung mußte ich diesen Fall so bald wie möglich beenden. Daher also das Hinken unseres Plans.
Der Gott der Erkältung rettete mich in dieser Nacht. Alex kriegte Bilder von Winston in seinen Boxershorts (blau-weiß gestreift) und seiner Geliebten (schwarzer Teddy) hin. Es war eine ältere Frau. Wir riefen Penelope her, und als sie die Fotos sah, fiel sie in Ohnmacht. Nach einigen Minuten kam sie wieder zu sich und weinte eine Stunde lang. Durch ihr Schluchzen hindurch konnte sie herausstoßen, daß die Frau — die Geliebte/Hure — ausgerechnet ihre Mutter war. Sie hatte es immer
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