Und jede Nacht ist Halloween

»Keine Angst, Wanda. Ich werd’ schon nicht beißen.«
    »Ich hatte so’n bißchen gehofft, das würdest du aber.« Diesmal sah er überrascht aus. Gleichstand.
    Strom klatschte zweimal in die Hände. Ein gemein aussehender, haariger Biker trottete mit einem Silbertablett herein. Er trug eine Schürze, sah aber so aus, als ob er Granit wie Kekse knabbern könnte. Strom deutete zum Tisch, und der Koloß stellte das Tablett ab. Er trabte hinaus. Strom hob den Deckel ab, um eine Ente à l’orange, Couscous mit Rosinen und etwas, das wie gefüllte Zucchini aussah, zum Vorschein zu bringen. Woher konnte er das gewußt haben? Es war mein Lieblingsessen. Er legte mir auf und dann sich selbst. Der erste Bissen war köstlich. Der zweite göttlich hoch drei. Ich fragte mich, warum man immer an Männer denkt, wenn es heißt, die Liebe gehe durch den Magen. Wir aßen eine Weile lang schweigend, mein Vergnügen dadurch gesteigert, daß ich Mamas Gewicht in meinem Schoß fühlte.
    Endlich fragte Strom: »Saint Nick läßt mir durch dich etwas ausrichten?«
    »Das hier ist unglaublich. Ich kann gar nicht fassen, daß du das selbst gekocht hast.«
    »Es freut mich, daß es dir schmeckt.«
    »Er sagt, du hast noch eine Woche, dann geht’s ab nach Queens.«
    »Noch irgendwas?«
    »Iß mehr Gemüse.«
    »Schwanzlutscher.«
    »Woher weißt du das denn?«
    »Nicht du. Er hat mich am ausgestreckten Arm, Wanda. Ich brauch’ dieses Geld schnell.«
    »Was ist denn so schrecklich an Queens?«
    »Der Knast«, sagte er und nahm noch einen Bissen von der Ente. »Das Zeug ist wirklich gut. Ich habe mich heute abend selbst übertroffen.«
    »Also, dann hat er was, womit er dich kriegen kann?« fragte ich.
    »Auf eine komplizierte Art ja. Aber darüber brauchst du nichts zu wissen.«
    Ich zeigte mit dem Glas auf seine Hand. »Hat es was mit dieser Tätowierung zu tun, vielleicht?« Er blieb mitten im Gabelhub stecken. »Laß mich dir erzählen, wie ich heute mein Honorar verdient habe. Ich habe sechs Stunden im Büro gesessen und jede Zeitungsmeldung über dich und deine Gang aus den letzten zehn Jahren gelesen. Ich weiß mehr über dich als dein Hausarzt. Eine besonders interessante Glosse auf der dritten Seite hat mich schäumend interessiert. Über Bisque-Mark, Inc.? Sicherlich erinnerst du dich daran.« Ich nahm triumphierend einen Schluck Wein.
    Er zuckte nicht mit der Wimper. »Eine ehemalige Journalistin wie du sollte wissen, daß man nicht alles glauben sollte, was geschrieben steht.« Touché. Also weiß er auch über mich Bescheid. Ich war früher mal Tatsachenüberprüferin und Reporterin für ein Pornos-für-Damen-Blättchen namens Midnight gewesen. Das war Jahre her. Meine Chefin wurde, nachdem ich dort aufgehört hatte, erwürgt. Alex und ich lösten damals den Mord, aber das ist eine andere Geschichte.
    »Hör mal, was ich wirklich glaube«, fing ich an, »mit Nicks geliehenem Geld hast du eine Firma gegründet, die die Bisque-Mark-Schneide produzieren und vertreiben sollte, das erste Porzellanstiletto seiner Art. Deine Tätowierung auf der Hand sieht übrigens so aus, als wäre sie das Firmenlogo. Jedenfalls, die Firma ist fast sofort pleite gegangen, als die Schneiden anfingen, in den Brennöfen Blasen zu werfen. Ist dir nicht eingefallen, mal vorher ein Probeexemplar zu machen? Man kann kaum etwas anrichten, wenn man jemanden mit einer Tongurke erstechen will.«
    Der Tornado in seinen grünen Augen wirbelte. »Nennst du mich da gerade n’ bißchen doof?« fragte er.
    »Ich nicht, Strom, aber das Wall Street Journal hat das wohl.«
    Er kämpfte, um die Kontrolle über seine Gesichtsmuskulatur zu behalten, und ich hoffte, er würde platzen. Seine unmenschliche Kontrolle brachte mich durcheinander. Instinktiv strich meine Hand über meine Kanone. Ich war auf den Sturm vorbereitet, aber er kam nie. Sanft tupfte er seinen Mund mit der Serviette ab und klatschte zweimal. Der beschürzte Biker trottete herein, nahm das Geschirr und verschwand. Strom zog zwei Zigaretten aus seiner Schachtel und zündete beide an. Er reichte mir eine. »Warum nach den Sternen greifen?« witzelte ich.
    »Es sind Marlboros«, sagte er. Ich hatte meinen Trumpf ausgespielt, und Strom hatte kaum geblinzelt. Die Frustration machte mich leichtsinnig. Das — und die Spannung seiner Lippen um die Zigarette.
    Einen hatte ich noch, und ich beschloß, ihn hart und schnell auszuspielen. An dem Punkt hätte ich alles mögliche angestellt, nur um ihn aus der