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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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langsam — als ob sie im zweiten Gang steckengeblieben wäre. Sie wurde auch vergeßlich. Sie ließ das Essen auf dem Herd anbrennen, oder sie kaufte etwas und ließ es im Laden liegen. Dad war überzeugt, daß sie sich weh tun würde, und er sagte mir, ich solle auf sie aufpassen, wenn er bei der Arbeit war. Ich verbrachte also jede Minute mit ihr. Ich hatte das Gefühl, wir kannten gegenseitig unsere Gedanken. Mein Vater verschwand, als ich sechseinhalb war. Konnte die Veränderung in ihr nicht mehr verkraften. Er sagte mir, ich würde ab dann der Mann im Hause sein. Ich sagte viel >Fuck< und >Scheiße<. So wie Dad. Und ich fing an, Mom wie er herumzukommandieren. Sie fand das ziemlich süß, bis ich groß genug wurde, um ihr weh zu tun. Ich weiß nicht, wo Dad jetzt ist.«
    Ich strich Strom über die Wange. Ich erinnerte mich daran, daß jede Information, die so freiwillig angeboten wird, immer suspekt ist. »Hat deine Mutter wieder geheiratet?« fragte ich.
    »Hatte keine Chance dazu. Ich spielte mit Streichhölzern in ihrem Zimmer, und die Kleider fingen Feuer. Das Haus brannte ab, mit Mom drin. Ich war zehn.« Er zuckte zusammen. »He! Paß mal ein bißchen auf, ja?«
    Meine Schiene am kleinen Finger hatte seine Wange zerkratzt. Ich hörte auf, ihn zu streicheln, und fragte mich, ob ich schockiert sein sollte, mitleidig oder entsetzt. »Die Mom-Geschichte«, sagte er. »Bringt einen runter, ich weiß. Hoffentlich habe ich dir nicht die Nacht versaut.«
    »Wie heißt dein Bike?«
    »Lila«, sagte er, indem er sich nahe an mich herankuschelte. Nach einigen schweigenden Minuten hörte ich das leise Rasseln eines Raucherschlafs. Und ich dachte, ich hätte es schwer gehabt, als ich in Short Hills, New Jersey, aufwuchs. Heimat der Shopping Malis. Ich küßte seine Augenlider, schlüpfte aus seiner Umarmung heraus und zog mich an. Auf der Uhr an der Wand stand »Freitag, 04:00 Uhr«.
    Meine Beine zitterten (nicht nur vor lauter Sex), als ich ohne weitere Probleme mit dem Aufzug hinuntereilte. Ich erwartete so halb, daß ein tunichtguter Gangster mich anspringen würde, um meinen eiligen Rückzug zu vereiteln, und so war ich darauf vorbereitet, ihm meinen kleinen Finger ins Auge zu rammen. Statt dessen traf ich in der Haustür auf Lars. Er reichte mir meinen Mantel, mein Schießeisen und meine Handtasche und wies mich an zu warten. Ich wollte wissen, warum, aber er walzte in die Bibliothek, ohne mich einer Antwort zu würdigen. Ich fluchte laut genug, daß er mich hören konnte. Ich fragte mich, was hier vor sich ging — vielleicht bereitete sich da eine Überraschung vor. Draußen dröhnte eine Hupe. Ich öffnete die blutroten Eingangstüren. Auf dem Bürgersteig der East 1 Ith Street winkte mir ein Mann, den ich als Smith Jones wiedererkannte und der die schärfste Maschine ritt, die ich jemals gesehen habe.
    Über dem Röhren schrie er: »Hüpf rauf, Babe. Ich bin deine Mitfahrgelegenheit nach Hause.«
    Ich sagte: »Schalt mal dein Bike ab.«
    Er brüllte: »Was?«
    Ich langte hinüber und drehte den Schlüssel um. Der Krach hörte auf, und Smith glotzte mich an. Ich sagte: »Was denn, hast du gedacht, ein Mädchen weiß nichts über Motorräder?«
    »Wo tut man denn das Benzin rein, Gehirnmaschine?« fragte er. Ich zeigte dorthin, wo Peter Fonda seine Drogen in Easy Rider versteckt hatte. Ich hoffte, daß ich keine weiteren Beweise meiner Sachkundigkeit würde liefern müssen — das war alles, was ich wußte.
    »Yeah, yeah, und wo kommt das Öl rein?«
    »Habt ihr Lakaien eigentlich so was wie einen Stundenplan? Ihr wußtet, wann ich ankomme, wußtet, wann ich gehe. Vielleicht kannst du ja so weit zählen — wie viele Orgasmen hatte ich?«
    »Muß ich später auf dem Video nachschauen.«
    »WAS?«
    »Heh, heh. Nur ’n Witz, Babe. Gut reingelegt.«
    Er schien freundlich genug aufgelegt zu sein, aber ich war mir nicht so sicher, ob er wirklich nur Witze machte. »Was geht hier vor, Smith? Anstandsdame? Schutz? Oder Spion?«
    »Mit ganzem Namen heiße ich Smith Jones. Aber du kannst mich immer Smith rufen.« Er gluckste. »Heh, heh. Schon wieder reingelegt.« Was für eine Witzfigur.
    »Du bist stoned«, stellte ich fest.
    »Diese Unterstellung verneine ich«, bestätigte er mich.
    »Dann hast du Hunger. Laß uns nach Kiew fahren.« Kiew ist der beste russische Deli mit Coffeeshop im Kiez, der rund um die Uhr geöffnet hat. Wenige der Kellnerinnen sprechen Amerikanisch, und die Kakerlaken sind größer als ein

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