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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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Knacken. Sie stolperte auf ihren Fünfzehn-Zentimeter-Absätzen und platschte neben mir auf den Boden, wobei ihr stattliches Hinterteil den Fall abfederte. Sie krallte wie wild in meine Richtung, verfehlte aber meist ihr Ziel, außer einem Kratzer über meine Rippen. Ich spürte nicht das geringste bißchen — noch nie war ich so glücklich über ein Lederbustier. Ich machte einen Versuch einer Knie-in-die-Magengrube-Arme-über-den-Kopf-geworfen-Festnagelposition. Aber ich erinnerte mich zu spät an meine unbrauchbare linke Hand, und sie warf mich mit Leichtigkeit ab. Ihr Tritt beförderte mich weit genug weg, so daß ich meine hohen Hacken abstreifen und aufstehen konnte. Sie kämpfte sich zu einem immerhin senkrechten Schwanken hoch. Plötzlich um sechs Zentimeter stabiler geworden, nahm ich meinen Vorteil wahr und umschlang ihre Mitte. Wieder fielen wir hin, diesmal lag ich oben. Ich schaffte es, ihre Arme hinter ihrem Rücken verdreht zu halten, indem ich mich rittlings auf sie setzte. Ich pflanzte jeweils eine Hand auf jede Seite ihres Kopfes, um sie mit ihren Haaren festzunageln. Sie wand sich und kämpfte, aber sie konnte nicht ausbrechen. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen — wenn ich zurückzog, würde sie mir sicherlich die Augen auskratzen. Ich erinnerte mich an meine »Verlierer-heult-als-erster«-Rangeleien mit den Nachbarskindern in Short Hills. Crutch heulte zwar nicht, aber sie verlor immerhin. Ich schmeckte den ersten Tropfen des süßen Triumphes. Als nächstes würde ein köstlicher Strahl folgen. Ich hoffte, sie würde es mir ermöglichen, ihn zu genießen. Sie enttäuschte mich, indem sie schlapp nach wenigen Sekunden aufgab. Eine Siegerin ihrer selbstgefälligen Zufriedenheit zu berauben ist so, als würde man jemandem den Weltrekord absprechen. Crutch sah zu mir auf und sagte: »Wir konnten uns keine Ringe leisten.« Dann fing sie an zu schluchzen. Die Menge, die spürte, daß hiermit der Sache ein Ende bereitet worden war, tauschte Dollarnoten und Schulterklopfen aus. Ich rollte von ihr herunter und checkte mein Gesicht und meine Arme nach Fingernagelgräben. Eine Blötsche am Schlüsselbein, mehr nicht. Immer noch auf dem Boden ausgestreckt, holte Crutch ihre Arme unter sich hervor und bedeckte ihr Gesicht. Ich bemerkte ihren verdrehten Mittelfinger und konnte nicht fassen, daß sie stärkere emotionale als körperliche Schmerzen durchzumachen schien. Sie setzte sich auf. Ihre Korsage war durch den Kampf nicht mehr zentriert. Auf ihrem nunmehr sichtbaren Schulterblatt, für immer in ihr Fleisch eingebrannt, war die Tätowierung eines in lila Blut getunkten Dolches. Sie schluchzte: »Mit sechzehn konnten wir uns überhaupt nichts leisten.«
    Ein vermischter Nebel an Begreifen und Erregung senkte sich in meinem Kopf. Sie ist kurz davor, massiv auszupacken, dachte ich. Ich würde endlich etwas Relevantes über meinen Arbeitgeber erfahren.
    »Du willst doch seit langem darüber reden«, soufflierte ich ihr.
    »Mein Finger tut weh.« Sie schaute ihre Hand benommen an.
    »Du kommst jetzt mit mir nach Hause.«
    »Den Teufel wird sie das tun«, sagte Crip, der über uns wie ein kuhförmiger Luftballon dräute. »Ich lass’ mich eher wie ’n Schwein, das zum Markt fährt, zusammenschnüren, als daß Crutch diesen Raum verläßt. Aber ich rate dir«, er meinte mich, »zum vedammten Teufel, dich hier rauszumachen, und zwar schneller, als ’ne Klapperschlange beißen kann. Und nimm diesen Trottel mit.« Er stieß seinen Daumen in Richtung Alex, der neben ihm grinste.
    »Wegen dir hab’ ich einen Zehner verloren«, sagte er. »Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst es in der dritten Runde schmeißen.« Er half mir auf die Füße, während Crip Crutch hochhievte.
    Billy, der Kasino-Idiot, kam rübergezittert. In seiner Hand leuchtete sein Taschenrechner. Er schob ihn mir unters Gesicht. Es stand darauf zu lesen: SIE.ESEL (7353.315).
    Ich sagte: »Danke.« Alex reichte mir meine Schuhe, und ich schlüpfte hinein. Der Höhenunterschied ließ mich schwanken, aber ich gewann schnell wieder das Gleichgewicht. Ich drehte mich zu Crutch, die sich auf Crips Schulter ausweinte. »Kommst du nun?« fragte ich. »Mein Nachbar einen Stock über mir, der Arzt, kann deinen Finger versorgen.«
    »Strom hat versprochen, daß er alles regelt.«
    »Strom lügt«, sagte ich. »Je früher du dir das klarmachst, desto besser.« Damit meinte ich gleichermaßen mich wie Crutch. Ich umschloß ihr heiles Handgelenk mit meiner

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