Und jede Nacht ist Halloween
sie aus mindestens zwei Gründen umgebracht haben. Sie hatte die Gelegenheit dafür: Sie arbeitete zu der Zeit im Outhouse und hatte also Zugang. Ich fragte mich, ob Crutch und Strom sich die ganze Zeit gevögelt hatten oder ob das nur eine einmalige Geschichte gewesen war. Es fiel mir auf, daß ich gerade unter einem Dach mit einer potentiellen Mörderin schlief. Plötzlich stand Schlaf damit nicht mehr zur Debatte. Ich starrte auf meine Decke, und indem ich meine Röntgensicht einschaltete (noch so eine coole Sache von mir), suchte ich sie nach Spinnweben ab. Ich zählte meine Atemzüge und zwang mich einzuschlafen.
Ich war keine fünf Sekunden weg, als das Telefon klingelte. Per Schock aus ihrem Gleichgewicht gebracht, grub Otis ihre Krallen in meine Rippen. Ich stöhnte und tastete nach dem Wohnzimmeranschluß. Ich ging ran: »Du solltest einen verdammt guten Grund haben, mich zu stören.«
»Wanda.« Alex. »Steh auf. Es gibt Ärger.«
Ich sagte: »Dies ist der Anrufbeantworter. Hinterlassen Sie Ihren Namen, und nennen Sie eine Nummer.«
»Ich weiß, daß du das bist, also hör auf mit dem niedlichen Scheiß.«
»Willst du damit sagen, du findest mich nicht niedlich?«
»Herrgott.«
»Wieso warst du mit mir zusammen, wenn du mich nicht niedlich gefunden hast?«
Alex würdigte meine Frage keiner Antwort. Er stellte lakonisch fest: »Crip Beluga ist tot.«
Kleine Sachen sind oft spleenig
Ich rang mit der Decke und fiel von der Couch. In letzter Zeit fand ich mich etwas zu häufig auf dem Boden wieder. Ich schrie: »Du solltest ihn doch beobachten. Du solltest doch aufpassen, daß er sich keinen Ärger einhandelt.«
»Also ist es meine Schuld, ja?« fragte Alex. »Wenn Crip wirklich tot wäre, könnte ich wegen einer derartigen Beschuldigung beleidigt sein.«
»Du könntest WAS sein?«
»Jetzt, wo ich deine Aufmerksamkeit habe...«
»Fick doch meine Aufmerksamkeit.«
Er sagte: »Du weißt doch, daß wir so was nicht diskutieren können, bevor nicht der Fall hier erledigt ist.«
Mein Blut rauschte durch die Adern. Ich war mehr als ein bißchen wütend. Ich sagte: »Verarschungen machen mich sauer, Alex.« Es sei denn sie kommen von mir, natürlich.
»Ich war einsam. Ich wollte deine Stimme hören.«
»Fick meine Stimme.«
»Wenn du darauf bestehst.«
»Wie Vlad der Aufspießer? Mein Onkel. Wir nannten ihn Onkel Vladdi.«
»Das wußte ich nicht.«
»Ja. Familiengeheimnis. Erzähl es keinem weiter.«
»Guck mal aus dem Fenster.«
»Was soll denn das heißen?«
»Wohnzimmerfenster.«
Ich fand meine Brille in meiner Handtasche und ging zum Fensterbrett rüber. Die große, dünne Figur in einer Telefonzelle auf der anderen Seite der Straße winkte. Ich würde diese Michigan-Uni-Jacke überall erkennen. Und diesen Body. Ich sagte: »Ich fasse es nicht. Die haben immer noch nicht die Weihnachtsbeleuchtung auf der Fiatbush weggenommen.«
»Crip ist verschwunden«, sagte er, während ich ihm zusah, wie er seine Jacke um seine Taille zog und sich in der Zelle zusammenkauerte. »Ich habe keine Ahnung, ob er tot ist oder nicht. Es ist durchaus möglich, daß er es ist. Wenn du die Story willst, mußt du mich reinlassen.«
Vor drei Monaten hätte er sich noch selbst reinlassen können. Er hatte mir meine Schlüssel ohne ein weiteres Wort zugeschickt. »So, du willst also raufkommen, ja?« fragte ich. »Du findest also, du kannst hier einfach unangemeldet auftauchen wie ein Reklameeinwurf im Postkasten?«
Er seufzte. »Wenn du gerade vorhast, mal wieder einen deiner Anfälle zu kriegen, kann ich nicht wenigstens dabei zusehen?«
»Erinnerst du dich, was ich dich manchmal zu tun gezwungen habe?«
»Wanda, es ist eisig kalt hier draußen.«
»Wenn ich dir einen blies.«
»Meine Finger fallen ab.«
»Und dann hörte ich mittendrin auf. Was ließ ich dich dann tun?«
»Das wird mir langsam peinlich.«
»Nichts ist morgens um vier Uhr peinlich.«
»Du hast mich darum betteln lassen.«
»Die genauen Worte.«
»Wanda, wenn ich mich nicht in fünf Sekunden an einem offenen Zündbrenner wärme, dann fahre ich zurück in die City, um alleine nach Crip zu suchen. Do It right kann mir dann das Taxigeld zurückzahlen.«
»Geiziger Scheißer.«
»Nur arm«, sagte er. »Ich bin so pleite, daß ich dir nicht mal mehr Gehör schenken kann.«
»Schon wieder diese Wichtigtuerei.«
»Vier Sekunden.« Er legte auf. Ich hätte es vorgezogen, wütend auf ihn zu sein, weil er meinen (nicht so sonderlich
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