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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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„Machen Sie sich bloß nicht immer so viele Gedanken, Lukas“, lachte er.

10
    Nach dem Abendessen hatte Anna Tom vorgeschlagen, noch einen Spaziergang mit Henry zu machen. Nun ging Tom neben ihr her, schweigsam, er beachtete nicht einmal den Hund. Henry tat wirklich sein Bestes. Eben zerrte er einen viel zu großen Ast in der Schnauze mit sich fort, doch heute feuerte ihn niemand dabei an. Anna überlegte, wie sie ihr Gespräch mit Tom am besten beginnen sollte. Pauls Tränen hatten ihr klargemacht, dass es so nicht weitergehen konnte. Als sie vorhin auf die Frage ihres jüngsten Sohnes, was sie am Wochenende unternehmen wollten, nicht sofort einen Plan aus der Tasche hatte ziehen können, war die Verzweiflung ungebremst aus ihrem jüngsten Sohn herausgebrochen.
    „Ihr wollt euch scheiden lassen, oder?“, hatte er gefragt und war anschließend schluchzend in sein Zimmer gestürmt.
    In diesem Moment blieb Tom vor ihr stehen.
    „Sag mir endlich, wer er ist.“
    Nicht schon wieder. Um sie herum brach alles auseinander, aber Tom hatte nur seinen imaginären Rivalen im Sinn. Immer sollte sich die Welt nur um ihn drehen.
    Anna ballte ihre Hand in der Jackentasche so fest zu einer Faust, dass sie die Finger nicht mehr spürte.
    „Wir haben nicht miteinander geschlafen. Außer in meinem Kopf ist nichts passiert.“
    „Wie beruhigend. Sag mir wenigstens, ob ich ihn kenne.“
    „Das würde doch nur von unseren wirklichen Problemen ablenken.“
    Tom machte ein paar schnelle Schritte auf Henry zu. Er riss seinem Hund den Stock aus dem Maul, dann schleuderte er ihn mit aller Kraft fort.
    „Ich lasse mich von dir nicht länger an der Nase herumführen, Anna. Vielleicht ist es besser, wenn ich für einige Zeit ausziehe.“
    Sie sah in Toms entschlossenes Gesicht. Anna wusste, sie sollte jetzt besser etwas Versöhnendes sagen, doch ihr Mund war wie zugenäht. Bildete sich Tom wirklich ein, sie mit dieser Drohung erpressen zu können?
    Am nächsten Morgen wachte Weber mit Kopfschmerzen auf. Nach dem schweren Rotwein, von dem er eine Flasche allein leer getrunken hatte, war der Wodka an die Reihe gekommen. Schon bei der Erinnerung daran drehte sich Weber noch nachträglich der Magen um.
    Michael Antonowich waren die Exzesse der vergangenen Nacht nicht anzumerken. Dazu sah er auch noch unverschämt frisch aus und amüsierte sich nun, als sie zusammen im Auto saßen, darüber, wie wenig Alkohol sein Kollege aus Hamburg offensichtlich vertrug. Weber ließ die Sprüche schweigsam über sich ergehen, müde starrte er aus dem Fenster auf die an ihm vorbeiziehende Stadt. Von Anna wusste er mittlerweile, wie es sich mit Maiwalds Reise nach Russland verhielt. Er wischte seine Stirn mit einem Taschentuch trocken, dabei massierte er die schmerzenden Stellen über den Augenbrauen. Gleich im Büro würde er sich eine ordentliche Ration Aspirin mit Vitamin C gegen die Kopfschmerzen genehmigen. Er musste in Höchstform sein, schließlich brauchten sie endlich einen Ansatz für die Lösung der Morde. Und Holger Maiwald schien bisher der Einzige zu sein, der ihnen einen entscheidenden Hinweis geben konnte.
    Anna Greve saß an ihrem Schreibtisch und gähnte. An Schlaf war nicht zu denken gewesen in der vergangenen Nacht. Wollte sie überhaupt noch, dass Tom blieb? Wie auch immer, wenn es so weiterging, könnte sie sich bald beurlauben lassen. Es war an der Zeit, Ordnung in ihr privates Chaos zu bringen. Anna nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer ihres Schwagers.
    „Jan? Ich muss dich sehen, wann können wir uns treffen?“
    Ihm war der ernste Tonfall in ihrer Stimme sofort aufgefallen.
    „Scheint ja wichtig zu sein. Sagen wir um halb sechs bei mir?“
    „Gut, bis dann.“
    Wie gern hätte sie sich jetzt eine Auszeit von ihren Gefühlen genommen. Wenn man nicht weiß, was gut für einen ist, soll man geduldig sein, drang die Stimme ihrer Großmutter in Annas Bewusstsein. Ja, sie würde warten, bis der rechte Moment und mit ihm die Erkenntnis gereift war, welcher der vielen möglichen Wege der richtige sein könnte. Ihre Gedanken wurden durch Antonia Schenkenberg jäh unterbrochen.
    „Am Gemüsegroßmarkt ist ein Toter gefunden worden, Hauptkommissar Sibelius wartet schon im Wagen auf Sie.“
    Eine Frau hatte die Leiche entdeckt, als sie am frühen Morgen ihren Hund ausführte. Gut verborgen lag der Tote in einem Gebüsch, und die Frau hatte ihn nur gefunden, weil ihr Labrador so halsstarrig davor stehen geblieben war.

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