Und jeder tötet, was er liebt
Zeit verschwenden. Kuhn wollte, dass sie weiter im Milieu ermittelten, wie er es nannte. Lüdersen hätten sie gefälligst in Ruhe zu lassen.
Als sie das Büro des Dienststellenleiters verließen, war Anna Greves Stimmung gedrückt. Alfons Lüdersen hatte nun wirklich alle Zeit der Welt, mögliche Beweismittel zu vernichten.
„Damit ist es eine Sache für den Staatsanwalt“, hörte Anna soeben die entschlossene Stimme von Günther Sibelius neben sich. „Kommen Sie, Frau Greve, wir erledigen das sofort.“
Anna gefiel die konsequente Art ihres neuen Kollegen. Sibelius verstand, mit Menschen umzugehen, er würde sicher ein guter Vorgesetzter sein, dachte sie.
Im Büro des Staatsanwaltes trugen die Kommissare anschließend noch einmal ihr Anliegen vor.
„Frau Greve, Herr Sibelius, Sie beschreiten einen ungewöhnlichen Weg. Normalerweise bespreche ich dergleichen mit Ihrem Vorgesetzten. Ist Herr Kuhn krank?“
„Er teilt unsere Theorie nicht“, entgegnete Sibelius.
„Und?“
„Auch ein erfahrener Mann wie er kann sich einmal irren.“
„Trotzdem kann ich ihn nicht einfach übergehen. Ich werde seine Meinung einholen, bevor ich eine Entscheidung treffe. Kommen Sie daher bitte morgen wieder.“
„Morgen kann es schon zu spät sein, Herr Staatsanwalt.“
Der Jurist ging über Annas scharfen Ton hinweg. „Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam, Frau Greve. Der nächste Schritt liegt allein in meiner Verantwortung, und wir können uns keine Fehler leisten. Sonst wird man übermorgen in der Zeitung lesen, dass der Staat vorschnell Persönlichkeitsrechte verletzt oder die Demokratie in Gefahr ist. Ich glaube kaum, dass die öffentlichen Diskussionen der letzten Zeit an Ihnen vorbeigegangen sind, oder?“
Der Staatsanwalt hatte nicht Unrecht. Trotzdem begriff Anna nicht, warum er hier keine Ausnahme machen konnte, schließlich war Gefahr im Verzug. Missmutig ging sie an ihren Schreibtisch zurück. Es gab nichts, was sie tun konnte, außer abzuwarten. Warten gehörte nicht zu den Stärken der Kommissarin, doch sie würde sich dazu zwingen. Die Alternative, zu Lüdersen zu gehen und ihn weiter unter Druck zu setzen, war nicht nur gefährlich, sie missachtete mit solchem Tun auch die Anweisungen ihrer Vorgesetzten.
Günther Sibelius holte Anna aus ihren Gedanken zurück.
„Ich meine, wir sollten uns den Udo Lanz noch einmal vornehmen. Er schien doch mit Alfons Lüdersen sehr vertraut zu sein, vertrauter, als es sich durch eine normale Geschäftsbeziehung ergibt. Also, wollen wir los?“
11
„Wir sind hier, Herr Lanz, weil wir nach wie vor noch viele offene Fragen haben“, begann Günther Sibelius. „Vielleicht können Sie uns weiterhelfen.“
Der Geschäftsführer des HFC hatte Kaffee für die Kommissare in sein Büro bringen lassen. Nun lächelte er ihnen aufmunternd zu.
„Da bin ich zuversichtlich, solange es um Fußball geht.“
Günther Sibelius lächelte freundlich zurück, nahm seinen Notizblock hervor und schlug eine leere Seite auf.
„Es geht um die Verbindung zu Ihrem Geschäftspartner Herrn Lüdersen. Erzählen Sie uns bitte etwas über ihn.“
„Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Herr Kommissar. Natürlich hat er sich durch den Tod seiner Frau verändert.“
Sibelius rückte nun näher an ihn heran.
„Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Alfons Lüdersen wird verdächtigt, Geld veruntreut und beiseite geschafft zu haben. Möglicherweise hat er darüber hinaus auch etwas mit der Entführung und Ermordung seiner Frau zu tun.“
Anna Greve beobachtete Udo Lanz, der nun damit anfing, die Haut an den Seitenrändern seiner Fingernägel abzureißen. War das nur eine schlechte Angewohnheit oder steckte mehr dahinter? Wenn ja, welchen Grund konnte er haben, gerade jetzt nervös zu werden?
Udo Lanz schien Annas Blick aufgefallen zu sein, denn er verschränkte seine Hände im Nacken.
„Das kann ich mir nicht vorstellen, Herr Sibelius, ich kenne Alfons nur als seriösen Kaufmann.“
„Und wie steht es mit Ihnen?“
„Wie meinen Sie das?“
„Nun, ich habe im Laufe der Zeit schon viele Entführungsfälle bearbeitet, und es findet sich immer ein Adressat, jemand, der durch die Tat erpresst werden soll. Nur in diesem Fall hat angeblich niemand zu den Entführern Kontakt gehabt.“
Günther Sibelius sah den Geschäftsführer lange an. „Nehmen wir einmal an, Lüdersen hätte sich geweigert, zu Ihren Konditionen zu arbeiten. Nehmen wir weiter an, Sie hätten ein Druckmittel
Weitere Kostenlose Bücher