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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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geheiratet.«
    »Nein, das liegt wohl in der Familie, dass wir nur ein einziges Mal lieben können. Glück für dich.«
    »Hoffentlich«, entgegnete ich und legte meinen Arm um sie.
    »Auf jeden Fall habe ich die Scheune und unseren Garten sehr vermisst. Und auch die anderen Kinder. Einige von denen waren zwar blöd und haben mir dauernd vorgehalten, dass ich keine Mutter mehr hätte, aber mit den meisten konnte man prima spielen. In der Stadt war ich die meiste Zeit allein, doch dann habe ich Sabine kennengelernt.«
    »Die Blonde«, setzte ich hinzu. Komisch, dass ich sie außer in der Bahn nie mit Milena zusammen gesehen hatte.
    Der Proviant, den wir noch da hatten, schmeckte alt und pappig und ging allmählich zur Neige. Auf dem Weg hierher hatte ich ein paar Pflaumen- und Mirabellenbäume am Straßenrand gesehen, dort hatten wir uns ein paar Früchte holen können, doch wir mussten nun wieder in die Stadt. Tschechisches Geld hatten wir noch und bestimmt ließ sich für D-Mark auch etwas bekommen. Die nächste größere Stadt war Kladno, dort würden wir bestimmt an Lebensmittel kommen. Dann war es nicht mehr weit bis nach Prag.
    Während ich noch überlegte, kuschelte sich Milena in meinen Schoß. Als sie eingeschlafen war, konnte ich mir endlich einen Moment der Schwäche erlauben. Seit Tagen fühlte ich mich unwohl und wusste nicht, ob das Gefühl körperlich war oder seelisch. Wir befanden uns irgendwo in der Tschechoslowakei, mir wurde immer klarer, dass ich eigentlich der Flüchtling war, und unsere Reise ans Meer …
    Eigentlich hätten wir schon längst dort sein wollen. Stattdessen saßen wir in einer zugigen Scheune, froren und bekamen immer mehr das Gefühl, dass wir es nicht schaffen würden.
    Donner rollte und jagte einen Schauer durch meinen Körper. Ein Zurück gab es für uns nicht. Wenn ich mich wieder in der DDR blicken ließ, würde mich die Stasi verhaften. Und Milena? Die würden sie ebenfalls irgendwo wegschließen. Nein, wir mussten durchhalten!
    Die ganze Nacht über regnete es, und das Gewitter grollte weiter. Schließlich schlief ich auch ein, und als ich am Morgen wach wurde, kitzelten mich ein paar Sonnenstrahlen, die durch die löchrige Bretterwand fielen.
    Das Unwetter war vorüber. Das nahm ich als Omen, denn es bedeutete, dass sich die Erde weiterdrehte und wir vielleicht doch eine Chance hatten, dieses Land zu durchqueren und nach Ungarn zu kommen.
Milena
    Nahe der kleinen Stadt Kladno machten wir in einem Waldstück halt. Mittlerweile war es zu spät, um noch auf offene Läden zu hoffen, also suchten wir uns im Wald einen Flecken, an dem wir unser Zelt aufstellen konnten und gönnten uns einen Abendspaziergang.
    Hier war der allgegenwärtige Kohlegeruch nicht mehr so stark, die Bäume filterten ihn aus der Luft.
    Eng umschlungen schlenderten wir über den kleinen Weg, der direkt einem Märchen entsprungen zu sein schien, genossen die Sonnenstrahlen, die durch das dichte Blätterdach fielen.
    Nach einer Weile stießen wir an einer Lichtung auf einen mächtigen Baum, der wie der Anführer oder Großvater aller anderen Bäume wirkte.
    Ehrfürchtig traten wir an den Baumriesen heran.
    »Der ist doch mindestens schon zweihundert Jahre alt!«, sagte Claudius, während er die knorrige Rinde berührte.
    »Mindestens!«, entgegnete ich. »Allerdings müssten wir ihn absägen, um das genau rauszufinden.«
    »Das werden wir auf keinen Fall tun«, entgegnete Claudius, fasziniert vom Anblick des mächtigen Stammes, den man bestenfalls mit fünf oder sechs Leuten hätte umfassen können. »Was meinst du, wollen wir da hochklettern?« Er deutete auf den riesigen Ast über uns, der allein schon den Umfang eines Baumes hatte.
    Ich war nicht gut im Klettern, aber die Aussicht, mit Claudius wie ein Vogel im Baum zu hocken, war reizvoll.
    »Stell den Fuß da drauf.« Claudius deutete auf einen Knubbel in der Rinde, an dessen Stelle früher sicher mal ein Ast gesteckt hatte. Vor vielen, vielen Jahren.
    »Habe ich schon mal erwähnt, dass ich beim Seilklettern in der Schule schlecht bin?«
    »Nö, aber das brauchst du hier auch nicht. Halt dich da oben fest.«
    »Da komm ich nie hin.«
    »Wenn ich dich hebe, auf jeden Fall.«
    Ich wollte schon protestieren, da spürte ich Claudius’ Hände an meinem Hintern und wenig später hob er mich an, als hätte ich gar kein Gewicht. Ich hatte seine Armmuskeln gespürt, als ich ihn umarmt hatte, doch dass er so viel Kraft hatte, hätte ich nicht

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