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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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wie ich, und wird nicht immer gesagt, dass alle Menschen gleich sind?«
    »Er ist aus dem Westen!«, brüllte mein Vater. »Er ist der Klassenfeind!«
    »Und was ist mit Mama?«, rutschte es mir raus. »Mama ist auch im Westen!«
    Mirko, der gerade aus seiner Zimmertür gekommen war, blieb wie vom Donner gerührt stehen und sah mich an.
    Papa sah mich aus glasigen Augen an. »Wer hat dir das gesagt?« Er wandte sich zu Mirko um. Offenbar hatte mich mein Bruder nicht verpetzt, wer hätte das gedacht.
    Auf einmal war es wieder da, das fiese Kneifen in meinem Magen. Und es war fast noch schlimmer als im Büro des Direktors.
    »Ich hab das gehört vom Direktor und diesem Stasitypen! Die haben sich darüber unterhalten. Die haben auch gesagt, dass du ihnen versprochen hast, mir nichts zu sagen.« Ich wusste nicht, warum, aber auf einmal hatte ich Lust, ihn anzuschreien. Ihm einfach ins Gesicht zu schreien, was ich wollte. »Ich will, dass du mir die Wahrheit sagst, Papa, einfach nur die Wahrheit! Was ist mit Mama? Ist sie jetzt auch eine Klassenfeindin oder ein staatsfeindliches Subjekt wie der Junge, der mir schreibt, ja?«
    Die Antwort kam sofort. Es klatschte und Sterne explodierten vor meinen Augen.
    Ich erschrak über die Ohrfeige so sehr, dass ich zunächst keinen Schmerz fühlte. Und als sich das Brennen auf meiner linken Wange doch einstellte, war der seelische Schmerz so groß, dass der körperliche dahinter zurücktrat.
    Ich brach nicht in Tränen aus, ich legte mir nur die Hand auf die Wange, schmeckte Blut in meinem Mund und starrte ihn an, als wäre er nicht mein Vater, sondern irgendein Fremder, der sich hier eingeschlichen hatte.
    »Papa!«, rief Mirko empört hinter uns aus und stellte sich dann schützend vor mich. »Du kannst Milena doch nicht schlagen!«
    Als hätten diese Worte seine Trunkenheit vertrieben, veränderte sich die Miene meines Vaters. »Entschuldige, Milena, ich …«
    Ich wirbelte herum. Wollte ihn nicht hören. Es gab keine Entschuldigung für das, was er getan hatte. Als mein Vater sollte er zu mir halten und nicht zu irgendwelchen Fremden! Als mein Vater sollte er keine Angst vor der Stasi haben, auch wenn das viel verlangt war. Nicht mal ich hatte Angst vor diesem Kerl in dem schlecht sitzenden Anzug gehabt.
    Und als mein Vater durfte er mich auch nicht schlagen. Nur weil ich der Meinung war, dass die Westdeutschen Menschen wie wir waren! Wo hatte er denn seinen Verstand gelassen, wenn er das nicht sah und auf einmal den blöden Sprüchen der Partei glaubte?
    Wütend schlug ich die Tür hinter mir zu, und diesmal schloss ich ab. Jetzt wollte ich ihn erst recht nicht mehr sehen. Und auch Mirko nicht, obwohl er mich verteidigt hatte.
    Alles in mir tat weh.
    Während mir die Tränen kamen, lief ich zur Kommode und holte einen kleinen Taschenspiegel aus einer der Schubladen. Meine Wange zwiebelte furchtbar, und dass ich heulte, verstärkte den Schmerz noch. Verschwommen erkannte ich den roten Abdruck seiner Hand auf meiner Haut. Vor Schreck musste ich mir wohl auf die Wange gebissen haben, denn ich schmeckte noch immer Blut. Ich warf den Spiegel in die Schublade zurück und krümmte mich zusammen.
    Mein Vater hatte mich geschlagen! Nach allem, was ich heute erlebt hatte, setzte das dem Ganzen die Krone auf.
    Mir kam es vor, als hätte ich außer Claudius niemanden mehr auf der Welt.
    Und Claudius saß nun wieder im Zug gen Westen. Wenn er sich an das hielt, was ich ihm gesagt hatte, würde ich ihn nie wiedersehen, und das wog nun fast schwerer als alles andere. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf, hörte, wie es hinter mir klopfte. Hörte die Stimme meines Bruders, der fragte, ob alles in Ordnung sei. Nichts war in Ordnung, gar nichts. Die Ohrfeige hatte in mir etwas zerbrechen lassen, und nun schwirrten die Scherben um mich herum und drohten, mir die Seele aufzuschneiden.
    Als er nicht lockerließ und weiterklopfte, fuhr ich weinend und zornig zugleich in die Höhe und stellte das Radio an. Der Empfang war klar, aber es war kein Westsender, sondern DT 64, das erkannte ich allein schon am Klang.
    Aus dem Lautsprecher drang die Stimme von Tamara Danz, der Sängerin von Silly. Es war eines der wenigen Lieder von ihnen, die ich mochte.
Bataillon d’amour …
    Ich schloss die Augen, hörte die Strophen über ein junges Mädchen, das es in die Nacht zu ihrem Liebsten zieht, und weinte, bis keine Tränen mehr kommen wollten.
Claudius
    Den ganzen Weg nach Hause heulte ich. Ich saß allein

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