Und plotzlich ist es Gluck
kann sich nur nicht genau erinnern, woher. Er weiß, was ich von Schauspielern halte. Ich meine, ich bewundere sie auf der Leinwand, aber nicht immer sind sie fürs echte Leben geschaffen.
»Hör zu, John, ich weiß, das ist nicht einfach, aber … naja, er könnte Ellens Vaters sein, und deshalb wollte ich nicht …«
»Die Wahrscheinlichkeit, dass ich der Vater bin, ist höher«, stellt er fest. »Es steht siebenundsiebzig zu dreiundzwanzig Prozent für mich.«
»Hast du das etwa gerade im Kopf ausgerechnet?«, frage ich, und er nickt. Er wirkt nicht gerade stolz auf sich.
»John, es geht hier nicht um mathematische Gleichungen, sondern um Menschen aus Fleisch und Blut. Du kannst nicht einfach mit uns jonglieren wie mit Zahlen auf einem Blatt Papier.«
»Es mag ziemlich theoretisch klingen«, räumt John ein, »aber es ist trotzdem wahr.« Er schiebt trotzig die Unterlippe nach vorn.
Ehe ich noch etwas sagen kann, verlangt er die Rechnung. Er besteht darauf, alles zu bezahlen und mich zum Auto zu begleiten. Wir gehen schweigend nebeneinander her, ohne uns zu berühren. Bisher hat es mich nie gestört, dass zwischen uns stets mindestens zwölf Zentimeter Abstand herrschten. Bei meinem Aston Martin angekommen
lässt John die Hand über die Motorhaube gleiten, als würde er einen alten Freund begrüßen. Danach steckt er die Hand in die Hosentasche, und ich weiß, dass er sich verstohlen die Finger am Futter abwischt und glaubt, ich würde es nicht bemerken. Er versucht nicht, mich zu küssen oder mich dazu zu überreden, ihn nach Hause zu fahren. Er fragt mich nicht, ob ich zu ihm ziehe oder mit ihm ausgehe.
Er sagt lediglich: »Bis Donnerstag«, aber ich weiß, er hat einen Plan. Ich erkenne es an dem gelassenen Zug um seinen Mund, an der Art, wie er den Kopf kaum merklich schief hält. John ist ein geduldiger Mann. Er spielt auf Zeit.
37
Ich schwebe durch die nächsten Tage wie eine Wolke in einer leichten Brise. Declan und Red sind am Set in Fermanagh. Declan besteht darauf, vom »Set« zu sprechen, obwohl Fermanagh dafür eigentlich nicht exotisch genug klingt. Maureen ist auch mit von der Partie. »Na, ich muss mich doch um Declan kümmern«, sagte sie, als ich fragte, weshalb. Der wahre Grund ist, dass sie eine Auszeit von der Musicalaufführung braucht. Wahrscheinlich hofft sie außerdem, Red mal in Unterhosen zu begegnen, falls sie früh genug aufsteht (was eher unwahrscheinlich ist) oder lang genug aufbleibt (was schon wahrscheinlicher klingt). Olwyn Burke ist nach wie vor indisponiert, und je länger der Sommer währt, desto stärker fühlt sich Maureen dem Druck der Verantwortung ausgesetzt. Sie ist kein großer Fan von Verantwortung. Wenn es nach ihr ginge, würde das Wort in die Kategorie Kraftausdrücke gehören.
Bryan ist ebenfalls vor Ort. Red hat endlich zugestimmt, seinen Film von Bryans Firma produzieren zu lassen. Cora, die es nicht gewöhnt ist, dass sie einen Drehbuchautor darum betteln muss, sein Script verfilmen zu dürfen, ist gegen Red voreingenommen, und laut Bryans täglichen E-Mails ist die Stimmung am Set so gespannt wie die Haut an Maureens Stirn nach einer ihrer Botox-Injektionen.
Simons Yankee-panky soll am Freitag zu Ende gehen, und Gladys bricht sich beinahe Knöchel und Genick in ihrer Eile, mir die frohe Botschaft persönlich zu überbringen.
Statt schweißnasse Hände und Herzklopfen zu bekommen, diagnostiziere ich an mir eine erstaunliche Gleichgültigkeit. Ich bringe Gladys vollends aus der Fassung, indem ich mich überschwänglich bei ihr bedanke, der obersten Schreibtischschublade eine Großpackung Malteser entnehme und sie ihr unter die Nase halte.
»Nimm dir eine Handvoll«, sage ich und sehe, wie sie die Nüstern bläht und sich ihre Pupillen weiten. Doch so gerne sie es täte, sie kann sich nicht dazu durchringen, mein Angebot anzunehmen.
John ruft an. Jeden Tag. Er steuert diese Unterhaltungen, und ich sitze auf dem Beifahrersitz und sehe aus dem Fenster. Er folgt den Hinweisschildern, die den Weg zu unserer alten Beziehung weisen. Die Vertrautheit der Straßen, die dorthin führen, wirkt tröstlich.
Es wird Donnerstag, wie jede Woche, gleich nach dem Mittwoch, unmittelbar vor dem Freitag. Doch dieser Donnerstag ist anders. Mir wird klar, dass ich seit Monaten darauf gewartet habe.
Dem Anlass entsprechend werde ich ein richtiges Schwangerschaftsoberteil tragen. Ich habe es online gekauft, und es kommt mir vor wie ein Zeichen, dass es just heute Morgen
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