Und plotzlich ist es Gluck
dem wir drehen sollten, und weigert sich, herauszukommen, bis sich Red entschuldigt, was er aber nicht tut, und am Ende muss ich sie dann immer herauslocken und dafür sorgen, dass sich die beiden nie im selben Raum aufhalten, was ziemlich schwierig ist, weil sie ja an ein und demselben Filmprojekt arbeiten. Ich bin der reinste menschliche Schutzschild. Die Einzigen, die sich einigermaßen anständig benehmen, sind Declan, Cáit und ich.«
»Cáit?«
»Unsere Vermieterin, die Bean-an-tí.«
Bryan steht auf Bean-an-tís, seit er mit sechzehn im Rahmen seines dritten Gälischsprachkurses in Galway von einer entjungfert wurde. Nach seinem schönsten Urlaub gefragt, gibt er noch an, es wären jene zwei Wochen in der Gaeltacht-Gemeinde 1984 gewesen, dabei hat es damals jeden Tag geschüttet, das Meer war so kalt wie im November, das Dach der Schule hatte genau über seinem Pult ein Loch und in der Schulkantine gab es zwei Wochen lang zerkochten Kohl mit Speck.
»Ist sie verheiratet?«
»Was hat denn das damit zu tun, ob …«
»Nun komm schon, Bryan, ich brauche ein bisschen Ablenkung vom Krankenhausmief.«
Bryan seufzt, kommt jedoch meinem Wunsch nach. »Sie hat sich vor zwei Jahren von ihrem Mann getrennt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er noch lieber in Frauenkleidern herumläuft als sie. Sie sind aber nach wie vor gute Freunde. Cáit ist ein sehr verständnisvoller Mensch.«
»Ist sie hübsch?«
Wieder seufzt er. »Also, wenn du mich fragst, schon. Sie erinnert mich an Sandra Bullock.«
Lauter gute Neuigkeiten, die ich allesamt in meinem geistigen Notizbuch festhalte. »Verstehe«, sage ich fröhlich. Die wichtigste Frage stelle ich ihm zum Schluss. »Findet Cora sie sympathisch?« Cora glaubt, über eine hervorragende Menschenkenntnis zu verfügen, was sich im Grunde genommen darin äußert, dass sie all jene Eigenschaften kommentiert, die sie an ihren Mitmenschen stören.
»Wo denkst du hin? Dieses ganze Glockengebimmel und die gestärkten Laken und die Tatsache, dass es keinen Earl-Grey-Tee gibt … Cora hasst sie.«
»Gut.«
»Hast du gerade ›gut‹ gesagt?«
»Nein.«
»Doch, hast du. Du hast ‹gut‹ gesagt.«
»Also gut, okay, ich habe ›gut‹ gesagt. Wenn sie aussieht wie Sandra Bullock und Cora sie hasst, muss sie ein netter Mensch sein, und du verdienst jemanden, der nett ist.«
»Warum?«
»Weil … weil du mein Cousin bist und ich dich liebe.«
»Oh«, sagt er, und mir wird zu meiner großen Schande bewusst, dass ich ihm das noch nie gesagt habe.
»Liebst du mich, weil ich dein Cousin bin, oder liebst du mich einfach so und ich bin nur rein zufällig dein Cousin?« Bryan ist in dieser Hinsicht manchmal etwas unsicher.
»Zweiteres«, sage ich und höre sein Lächeln durch die Leitung wandern. Es fühlt sich gut an. Wie selbst gekochter Pudding. Nein, besser.
Im Korridor ist es ruhig, als ich auflege. Ich sehe auf die Uhr. Es ist drei Minuten vor halb zehn. Mein Handy klingelt erneut. Diesmal ist es Sofia Marzoni.
»Du hast mir mein wöchentliches Update noch nicht geschickt«, nölt sie.
»Das ist doch erst morgen fällig. Heute ist Donnerstag.«
»Schon, aber sonst bekomme ich deine E-Mail auch immer schon am Mittwoch oder spätestens am Donnerstag in aller Herrgottsfrühe.« Stimmt. Ich verfluche mich für meine Übereifrigkeit.
»Äh … «, mache ich.
»Ich wollte bloß mal hören, ob es dir gutgeht, das ist alles«, sagt sie.
»Alles bestens. Ich warte gerade auf die zweite Ultraschalluntersuchung. «
»Bist du schon in der zwanzigsten Woche?« Das scheint ja neuerdings echt zur Allgemeinbildung zu gehören. So, wie alle Welt weiß, dass eine fauchende Katze keine glückliche Katze ist.
»Ja.«
»Bestell Klein Ellen Grüße von mir, ja? Sag ihr, ihre Tante Sofia hat sich nach ihr erkundigt.«
»Äh, mach ich.«
»Das mit dem wöchentlichen Update eilt übrigens nicht«, fährt sie fort. »Ich dachte nur, es wäre etwas passiert, als ich gestern und heute früh nichts von dir gehört habe.«
»Ich schicke dir die Mail heute Nachmittag«, gelobe ich.
»Jaja, ist gut«, sagt sie nonchalant, als wäre das nicht schon das zweite unserer durchschnittlich sechs Telefonate pro Tag.
John trifft um Punkt halb zehn ein. Ich weiß, dass er sich über sein Outfit den Kopf zerbrochen hat, denn er trägt eine Cordhose und blendend weiße Turnschuhe, die er offenbar erst heute gekauft hat oder eine Weile ungenutzt im Schrank liegen hatte. Ich tippe auf
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