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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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schwindle ich.
    »Hier.« Er zieht sich den Pullover über den Kopf, wobei sein weißes T-Shirt über der schlanken Taille hochrutscht und den pfeilförmigen dunkelbraunen Flaum unter seinem Bauchnabel freilegt. Ich wende den Blick ab, habe das Gefühl, wieder im Love Shack zu sein. Ich denke an Quantenphysik, obwohl ich nicht allzu viel darüber weiß.
    »Falls ich Ellens Vater bin«, sagt er, als hätte auch er gespürt, wie es zwischen uns knistert, »hat sie vermutlich grüne Augen, wie wir beide.« Er mustert mich prüfend.
    Da ich nichts entgegne, wendet er den Blick ab. »Du
hoffst, dass John der Vater ist, das ist mir schon klar«, sagt er bedächtig.
    »Woher willst du wissen, was ich hoffe?«
    »Naja, ich weiß, dass du nicht viel von mir hältst.«
    »Du kannst kein durch und durch schlechter Mensch sein«, sage ich. »Schließlich hast du Blue gefunden.«
    »Ist schon okay. Ich an deiner Stelle würde auch nicht viel von mir halten.«
    »Warum?«
    »Du hältst mich für unzuverlässig. Du denkst, ich hätte Sofia betrogen.«
    »Naja …«, sage ich. »Das hast du doch auch.«
    »Vermutlich, ja«, sagt er nach einer Weile. »Aber glaub mir, normalerweise tue ich so etwas nicht.«
    Das würde ich ihm nur zu gern glauben. Schließlich tue ich so etwas wie an jenem Abend normalerweise auch nicht. Und doch haben wir es damals getan. Ich kneife die Augen zu, verschließe mich vor den Erinnerungen, die mit quietschenden Reifen in meinem Kopf herumkreisen.
    »Hör zu, das ist jetzt alles nicht mehr wichtig«, sage ich. »Was passiert ist, ist passiert, und jetzt müssen wir das Beste draus machen.«
    Die Unterhaltung führt uns an einem immer schmaler und schmaler werdenden Pfad entlang, der in einer Sumpfwiese endet.
    »Wo steckt eigentlich Sofia?«, frage ich, ohne ihn anzusehen, während ich umständlich die gelbe Schnur um Blues Halsband wickle.
    »Sie wollte mit Hailey in die Stadt, um Partyhüte zu kaufen«, sagt Red.
    Der Ausdruck »Stadt« ist ungefähr so übertrieben wie der Ausdruck »Geschäft« für den Bauchladen eines fliegenden Händlers. Soweit ich mich erinnere, gibt es im Dorf
einen Pub (Cassidy’s, wenn ich nicht irre) mit einem Anbau an der Seite, in dem ein Getränke- und Haushaltswarenladen untergebracht ist. Nebst Brot und Teebeutel und Rosenkohl gibt es dort etwa zwanzig Flaschen Anaïs Anaïs zu kaufen, doch die Nachfrage danach scheint hier eher gering zu sein, denn die Flaschen sehen aus, als würden sie schon seit vielen, vielen Jahren dort stehen.
    Soweit ich mich erinnere, gibt es keinen Hutladen im Dorf.
    Red legt sich wieder hin, auf den Rücken diesmal, und kitzelt Al Pacino mit einem Grashalm am Ohr.
    Wäre ich mit ihm verlobt, dann wäre ich jetzt nicht mit Hailey irgendwo unterwegs, sondern würde hier im langen Gras neben ihm liegen.
    Meine Gedanken sind wie unliebsame Gäste, die unangekündigt vor der Tür stehen, mit je einer Reisetasche voller Kleider für eine gute Woche in jeder Hand. Ich schüttle den Kopf, um sie loszuwerden.
    »Du siehst immer so aus, als würdest du über eine furchtbar ernste Angelegenheit nachdenken«, stellt Red fest, mit jenem Lächeln, das stets seine Mundwinkel umspielt.
    »Das hab ich auch. Ich meine, ich tue es noch immer.« Vor meinem geistigen Auge erscheint ein Bild, das nichts mit Hochzeiten oder Hüten oder Rosenkohl zu tun hat. Es ist das Bild eines Kusses, sanft, salzig und warm. Mit einem subtilen, süßen Hauch Blaubeeren.
    »Worüber hast du denn gerade nachgedacht?«
    »Über Quantenphysik, wenn du es unbedingt wissen willst«, sage ich. Meine Stimme klingt erstickt, als hätte jemand die Hände um meinen Hals gelegt.
    Er lacht, und ich weiß, er glaubt mir nicht. John würde mir glauben. Der Nachteil wäre allerdings, dass John nachhaken würde, über welchen Aspekt der Quantenphysik
ich genau nachdenke, und dann würde ich ins Schwimmen geraten, obwohl ich natürlich irgendetwas von wegen E = MC 2 murmeln könnte.
    Ich stehe auf und klopfe mir ein paar imaginäre Grashalme von den Kleidern.
    »Geh noch nicht«, sagt er.
    »Ich sollte jetzt aber endlich …«
    »Wir haben noch jede Menge Zeit. Bleib hier.«
    Also bleibe ich, obwohl ich mir fest vorgenommen habe, zu gehen.
    Wir liegen lange schweigend nebeneinander im Gras. Der Himmel über uns ist von einem seidigen Hellblau, die Wolken ziehen träge dahin, als wäre die Zeit nicht mehr als ein böses Gerücht.
    Als gäbe es nichts außer diesem Tag, diesem Augenblick, hier in

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