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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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tendieren. Glynis weiß, dass Katzen nicht aus purer Lust am Töten jagen. Sie kennt Blue zwar noch nicht, hat aber bereits Fotos von ihm gesehen und ihn als »hübschen Teufel« bezeichnet, was den Nagel ziemlich auf den Kopf trifft, finde ich.
    »Nein, hab ich nicht, aber ich habe für ihn ein paar Cracker mit Philadelphia bestrichen. Meine Jungs lieben das.« Ihre Jungs, das sind George, William, Charles und Harold, vier stattliche Kater, die über das Schloss herrschen.
    Ich gehe durch den Salon, wo Sofia und Hailey auf dem Sofa im Erker sitzen, sich die Sonne auf den Bauch
scheinen lassen und die Samstagszeitung lesen – Sofia das Horoskop, Hailey den Leitartikel. Der Anblick erinnert mich daran, wie ich früher mit John die Samstage verbracht habe.
    »Habt ihr Blue gesehen?«
    »Nein«, erwidern sie wie aus einem Mund.
    Ich klopfe bei Brendan und Filly. »Entschuldigt«, brülle ich durch die Tür, die so dick und massiv ist wie eine Eiche. Keine Ahnung, ob sie mich hören können. Ich hämmere mit den Fäusten dagegen, und nach einer Weile öffnet sie sich einen Spaltbreit und Brendans Gesicht erscheint.
    »Ja?« Er versucht vergeblich, so zu tun, als würde er sich über meinen Besuch freuen.
    »Entschuldige, Brendan, ich will euch nicht stören, und du weißt, normalerweise würde ich das auch nicht tun, aber …«
    »Was ist los, Scarlett?« Jetzt hat er den Ernst der Lage offenbar erkannt, denn er öffnet die Türe ganz, wobei er darauf achtet, dass das Laken seine … untere Körperhälfte bedeckt.
    »Blue ist nicht zufällig bei euch, oder?«
    »Nein«, schreit Filly aus dem Off, und dann erscheint sie neben Brendan. Sie ist nackt, von ihren Haarspangen einmal abgesehen, steht jedoch da, als wäre sie vollständig angezogen. Sie führt ihre mangelnde Schamhaftigkeit auf ihre Herkunft zurück. »In Australien laufen alle praktisch nackt umher«, versichert sie mir immer. »Wegen der Hitze.«
    Ich hetze durch die Korridore. Das ist das Problem bei Schlössern – sie sind groß und haben lange, weit verzweigte Korridore, in denen das Echo meiner Schritte auf dem steinernen Boden hallt. Ich bin nicht zum ersten Mal hier und kenne mich aus, aber mein Gehirn scheint diese Tatsache
vergessen zu haben. Ich kämpfe gegen die Angst an, die allmählich in mir aufsteigt.
    Als ich anfange, nach ihm zu rufen, weiß ich, dass die Angst gewonnen hat. Der Teller mit den Frischkäse-Crackern, den Glynis für Blue bereitgestellt hat, ist unberührt. Al Pacino, der seine Portion bereits verdrückt hat, betrachtet ihn sehnsüchtig sabbernd, rührt ihn jedoch nicht an. Die Panik umklammert mich wie eine Faust. Ich ringe nach Luft. Blue liebt Frischkäse. Wenn er sich irgendwo im Schloss befindet, dann würde er diese Leckerei wittern. Sein Geruchssinn ist legendär. Fast so gut wie meiner, seit Ellen eingezogen ist.
    Blues Käfig in der Eingangshalle wirkt schrecklich leer, das offene Türchen bewegt sich leise quietschend im Luftzug, der vom Eingang herweht. Die Vordertür steht ebenfalls offen. Ich laufe los, hinaus in den Garten, schreie seinen Namen. Der Wassergraben ist hundert Meter vom Schloss entfernt. Er ist nicht sehr breit, aber breit genug. Auch nicht sonderlich tief, wenn man Billys Worten Glauben schenken kann, aber tief genug. Ich denke an Blue, vier Tage alt, in einem Sack, der oben mit einer Schnur zugebunden und mit Steinen beschwert ist. Fünfzehn an der Zahl. Die Erinnerung versetzt mir einen heftigen Stich. Ich erstarre. Etwas geschieht mit mir, und einen Moment lang weiß ich nicht, was es ist. Es fühlt sich an, als würde sich ein Knoten lösen. Erst nach einer ganzen Weile wird mir klar, dass ich weine, laut schluchzend und keuchend, so dass sich mein Brustkorb heftig hebt und senkt. Mein Körper ist an ein derart sintflutartiges Tränenvergießen nicht gewöhnt – kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ich das letzte Mal geweint habe, als ich sechseinhalb Jahre alt war. Meine Beine versagen mir den Dienst, ich sinke zu Boden, die scharfen Kanten der Kieselsteine bohren sich in meine
Knie. Und ich bin froh über den Schmerz. Ich habe ihn verdient, weil ich ständig irgendetwas verliere. Ich habe mein Baby verloren, Ellens Brüderchen oder Schwesterchen. Und jetzt auch noch Blue. Meinen Blue. Meinen Kater, der seine Zuneigung vergräbt wie einen Schatz. Genau wie ich. Überzeugt davon, dass die anderen schon wissen werden, dass sie existiert. Im Geheimen, verborgen, aber immer da.
    »Ach, herrje, was

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