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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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umwickelt, aber ich fürchte, Filly ahnt, was sich darin befindet, so, wie sie mich ansieht.
    »Also, dann …«, sage ich aufgeräumt, nehme ein Blatt Papier zur Hand und wedle damit.
    »Aber die beiden sind schon ein seltsames Paar, nicht?«, fragt Filly, dabei weiß sie nur zu gut, dass mein »Also, dann …« einen Themenwechsel einleiten sollte.
    »Wir hatten schon seltsamere«, erinnere ich sie, und sie nickt.
    »Und er ist ein richtiger Schatz«, fährt Filly gedankenverloren fort, und als sie lächelt, weiß ich, dass sie gerade sein Gesicht vor sich sieht.
    Ich habe eine Vision von Red in der Schlossküche. Es ist zwei Uhr morgens.
    »Kannst du wieder nicht schlafen?«, fragt er. Ich sitze auf einem Stuhl und studiere den Aktienindex der irischen Börse, in der Hoffnung, dass ich irgendwann vor Langeweile einschlafen werde.
    »Nein. Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken.«
    »Hast du nicht.« Er grinst. »Es war Blue. Er ist aufgewacht und hat miaut, weil du nicht da warst.«
    »Entschuldige. Er fürchtet sich im Dunkeln. Ich hätte ihn mitnehmen sollen.«
    »Ich mache dir jetzt die Red-Butler-Spezialmischung.« Er öffnet diverse Schränke. »Die wirkt sogar bei den ganz hartnäckigen Fällen.«

    »Ich habe schon alles probiert.«
    »Vertrau mir.« Er kippt Milch in eine Tasse und stellt sie in die Mikrowelle. Dann geht er hinaus in den Kräutergarten, und ich höre, wie Pflanzen aus der warmen Erde gerupft werden, höchstwahrscheinlich mitsamt den Wurzeln. Dann ist er wieder da, wäscht und schält und schnippelt und raspelt und nimmt einen Mörser zur Hand, in dem er die Mischung mit einem Stößel zu Brei reibt. Er tut all das, als wäre er allein, als würde ich nicht jeden seiner Handgriffe genauestens verfolgen. Er bewegt sich in der Küche, als hätte er sein ganzes Leben auf diesem Schloss verbracht.
    »Probier das«, sagt er, stellt die Tasse vor mir auf den Tisch und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich trinke. Er lässt mich nicht aus den Augen. »Trink aus.«
    Ich tue wie geheißen. Es schmeckt gar nicht so übel. Leicht süßlich, nach Honig. Nachdem ich die Tasse geleert habe, nickt er zufrieden, nimmt meine Hand und führt mich hinauf in unser Zimmer. Kaum hat er mich ins Bett gesteckt und zugedeckt, spüre ich bereits, wie meine Augenlider schwer werden, und das, obwohl er mir so nah ist. Und noch ehe ich einen Gedanken daran verschwenden kann, in welchem Zustand wir die Küche hinterlassen haben – die schmutzige Tasse auf dem Tisch, Erde und Blätter und Wurzeln auf dem Schneidbrett, die leere Milchpackung in der Spüle –, werde ich von warmen Händen in eine stille, tröstliche Dunkelheit getragen. Ist das etwa der Ort, an dem normale Menschen schlafen? Ich habe ihn mir so oft vorgestellt. Ich schwebe darauf zu, und die Dunkelheit hüllt mich ein, und so schlafe ich tief und fest bis zum nächsten Morgen. Als ich die Augen aufschlage und sehe, dass der Tag angebrochen ist, lächle ich.

    »Ja«, sage ich nun, zu Filly gewandt, und nicke. »Er ist ein richtiger Schatz. Sofia Marzoni ist ein Glückspilz.« Ich stehe auf, schüttle die Vision ab, befördere sie wieder in die Kiste und setze mich auf den Deckel, damit sie nicht noch einmal entwischen kann.

48
    Johns Flugzeug landet planmäßig um fünf vor fünf. Dreizehn Minuten später tritt er mit seinem kleinen Rollkoffer durch die Schiebetüren in die Ankunftshalle. Ich sehe auf einen Blick, dass der Koffer das Maximalgewicht nicht überschreitet. Das wird er auch niemals tun.
    John blickt geradeaus und marschiert zielstrebig in Richtung Ausgang, direkt an mir vorbei, wie jemand, der nicht damit rechnet, dass er erwartet wird. Kein Wunder, denn das ist das allererste Mal, dass ich ihn vom Flughafen abhole. Ich eile ihm nach.
    »John!«
    Er geht langsamer, blickt nach rechts und links.
    »John Smith.«
    Er bleibt stehen und dreht sich um. »Scarlett! Was treibst du denn hier um Himmels willen? Ist etwas passiert? « Er wirkt müde. Mückenstiche und Sonnenbrand sind längst verheilt. In seinem gestärkten Hemd und dem nüchternen Anzug sieht er aus wie immer.
    Ich lächle ihn an. »Es ist alles in Ordnung. Ich wollte dich bloß überraschen, das ist alles.«
    Er wirkt in der Tat überrascht, wenn nicht sogar geschockt. Der Anblick stimmt mich traurig. Wann haben wir beschlossen, einander nie vom Flughafen abzuholen? Ich kann mich nicht erinnern, dass wir je darüber gesprochen hätten. Es wurde irgendwann einfach zur

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