Und plotzlich ist es Gluck
Gewohnheit.
»Los, komm mit«, sage ich.
»Wohin?« John will immer wissen, wohin es geht, bevor er ankommt.
»Ich möchte dich zum Abendessen einladen«, sage ich, obwohl ich bereits gegessen habe. Ich habe mir angewöhnt, meine Hauptmahlzeit zu Mittag einzunehmen.
»Oh«, sagt er und lächelt. »Das ist nett von dir, aber … ich habe schon gegessen. Im Flugzeug, meine ich.«
»Du hast Flugzeugessen gegessen?«
Er nickt verlegen. »Ich war so in Gedanken versunken, dass ich einfach genickt habe, als mich die Stewardess gefragt hat, ob ich etwas essen will, und sie hat so erfreut und überrascht gewirkt, dass ich sie nicht enttäuschen wollte.«
»Worüber hast du denn nachgedacht?«, erkundige ich mich, als wären wir mutterseelenallein, ohne die Massen, die an uns vorbeiströmen, mitten in der Ankunftshalle des Dubliner Flughafens am hektischsten Abend der Woche.
John runzelt konzentriert die Stirn. »Über uns natürlich. «
»Natürlich?«
»Natürlich«, wiederholt er und mustert mich verwirrt. »Und über Ellen.« Seine Miene wird weich wie Butter in der Sonne. »Worüber sollte ich denn sonst nachdenken?«
»Ich habe auch nachgedacht«, sage ich.
»Über Ellen?«
»Und uns. Über Ellen und uns.«
Er betrachtet mich eingehend, ehe er sich ein Lächeln gestattet. »Das freut mich zu hören.«
Ich hole tief Luft. »Ich glaube, es ist das Beste für Ellen, wenn wir uns als eine … eine Einheit präsentieren.«
»Eine Einheit? Du meinst, eine Familie?«, fragt er, um Klarheit bemüht.
Ich nicke.
»Ganz meine Meinung.«
Ich erzähle ihm von Dr. Katastraf. Nicht von seinen berühmten Klienten, sondern dass ich für uns einen Termin bei ihm vereinbart habe, wenn auch erst im Februar. Und ich erwähne das Wunder der Doolallys.
John lässt den Griff seines Koffers los und streckt den Arm nach mir aus. Seine Bartstoppeln kratzen mich im Gesicht. Mit Ellen zwischen uns fühlt sich die Umarmung anders als früher an. Wir lösen uns im selben Augenblick voneinander.
»Also«, sagt John. Es folgt die übliche bedeutungsschwangere Pause. »Was hältst du davon, wenn ich uns eine Kleinigkeit koche? Bei mir, meine ich.«
Ich zögere. Ich bin noch nicht so weit. Ich will noch nicht wieder in seine Wohnung. Ich habe Angst, dass alles genauso ist wie vor meinem Auszug. Alles beim Alten, obwohl seither so viel geschehen ist.
»Nein, schon gut«, sagt John hastig. »Lass uns ausgehen. Wir sollten feiern. Einen Teller Suppe schaffe ich schon. Oder einen grünen Salat.«
Er umklammert den Griff seines Koffers und marschiert los. Ich gehe neben ihm her, und unsere Beine bewegen sich exakt im Gleichschritt. Als würden wir bei einem Dreibeinlauf-Wettrennen als Erste durchs Ziel gehen.
49
Zu Hause weigert sich Maureen, ihr Bett zu verlassen, denn Romeo und Julia – das Musical wurde verschoben, was in erster Linie auf Olwyn Burkes wundersame Genesung zurückzuführen ist. Sobald Olwyn zu Ohren kam, dass Maureen O’Hara eine in Anbetracht der Umstände ganz passable Leistung als Julias Amme bringt, erhob sie sich von ihrem Krankenlager, zog sich an und verlangte 1) ihren Arzt zu sehen, 2) eine Tasse Earl Grey, 3) eine Packung Süßstoff und 4) zwei mit Butter bestrichene und wie ein Sandwich zusammengeklebte Vollkornkekse. Der Heilungsprozess ging so bemerkenswert rasch vor sich, dass einer der jüngeren Anstaltsärzte sogar seine Abschlussarbeit darüber schreiben will.
Wie dem auch sei, nachdem Olwyn Burke so plötzlich von den Noch-nicht-ganz-Toten wiederauferstanden ist, hat Cyril Sweeney eingewilligt, die Premiere zu verschieben, damit Olwyn noch etwas Zeit zum Proben bleibt.
Seither ist Maureen am Boden zerstört und treibt Phyllis mit ihren Ansprüchen in den Wahnsinn. So hat sie beispielsweise nach Cadbury’s-Schokoladeneiern verlangt, bei denen allerdings die weiche Creme im Inneren entfernt werden sollte. Phyllis hat es tatsächlich geschafft, zwei Cadbury’s-Schokoladeneier aufzutreiben (obwohl es die im Sommer so gut wie nirgendwo gibt), hat wunschgemäß das cremige Innere mit einem Löffel herausgeschabt, sie in zwei Eierbecher gestellt und Maureen in
ihrem Boudoir, wie wir es auf ihren Wunsch hin nennen, serviert.
Maureen weiß noch nicht, dass die Premiere des Stücks jetzt mit Sofia Marzonis Hochzeit zusammenfällt. Ich warte noch auf den richtigen Moment, um es ihr zu gestehen.
Seltsamerweise hat ihr Zustand nicht die übliche Wirkung auf mich. Ich tue das, was ich sonst auch tun
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