Und plotzlich ist es Gluck
Rosé-Champagner sorgt dafür, dass der ohnehin hohe Lärmpegel stetig steigt. Der Fotograf knipst sich kreuz und quer durch das Haus, bis Valentino sämtliche Gäste in die Sumpflandschaft hinausscheucht, die einmal sein Garten war. Und da es niemand wagt, sich Valentino Marzonis Wunsch zu widersetzen, hört man schon bald das schauderhafte Schmatzen von unzähligen im Schlamm versinkenden Stöckelschuhen. Alles versammelt sich artig lächelnd um das lebensgroße Prager Jesulein und stakst dann lächelnd zu der Pferdekutsche, die soeben angekommen ist. Ich lächle ebenfalls.
Allerdings vergeht mir das Lächeln, als ich feststelle, dass den vier Pferden die rosarote Farbe von den Nüstern und Mähnen trieft, in Bächen an ihren Beinen hinunterläuft und sich in Pfützen um ihre Hufe sammelt. Ich schnappe mir zwei Regenschirme und bin in vier schmatzenden Schritten bei ihnen, kann damit aber ungefähr so viel ausrichten wie mit einem Küchensieb bei einem Monsun-Regenguss.
»Ich dachte, die Farbe wäre wasserfest!«, rufe ich Ed zu, der für die Gäule zuständig ist.
»Dachte ich auch.« Er grinst und zuckt die Achseln mit einer Gleichgültigkeit, für die ich ihm am liebsten die Ohren langziehen würde.
»Wollen Sie nicht irgendetwas unternehmen?«, frage ich und presse dann die Lippen ganz fest aufeinander, um ihm nichts an den Kopf zu werfen, das ich später bereuen könnte.
Erneutes Grinsen und Achselzucken. »Ach, bei diesem Wetter fällt das doch gar nicht weiter auf.« Da hat er vermutlich Recht, aber in Anbetracht der Tatsache, dass Sofia heute noch unberechenbarer ist als sonst, verspüre ich den Drang, dafür zu sorgen, dass wenigstens das Drumherum perfekt ist.
Ich krame mein Mobiltelefon hervor, wähle Johns Nummer und klemme es mir zwischen Schulter und Ohr. Er geht beim vierten Klingeln ran.
»John, du musst mir helfen.«
»Was ist los? Ist etwas mit dem Baby?« Im Hintergrund höre ich etwas scheppern. Mist. Ich sehe ihn förmlich von der Couch aufspringen, wo er eben noch mit seinem Frühstückstoast auf den Knien saß, sehe den Teller auf dem Boden zerschellen. »Nein, nein, mit Ellen ist alles bestens. Es geht um die dämlichen Pferde für Sofias Hochzeit.«
»Lass mich raten – die Farbe ist nicht wasserfest, und jetzt fragst du dich, ob man mit rosaroter Lebensmittelfarbe nachhelfen könnte.«
»Lebensmittelfarbe? John, du bist ein Genie!«
»Oh, danke«, sagt er. »Ich bin überrascht, dass du nicht selbst daran gedacht hast.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ja, warum habe ich da eigentlich nicht selbst daran gedacht?
»Also, was meinst du, ist Lebensmittelfarbe für Pferde schädlich?«
»Warte kurz, ich rufe Dermot an.« Johns Bruder Dermot ist Tierarzt.
Ich beende das Gespräch und halte weiter die beiden
Schirme über die Pferde, obwohl mir bereits die Arme wehtun. Aber alles andere käme einer Kapitulation gleich. Ich habe noch nie kapituliert, und ich werde ganz bestimmt nicht jetzt damit anfangen.
John meldet sich nach einer Minute und dreiundvierzig Sekunden. »Es besteht keine Gefahr für die Tiere. Hast du genügend Lebensmittelfarbe?«
»Ich sehe gleich mal in der Küche nach, aber ich schätze schon. Die Marzoni-Sisters lieben Cupcakes mit rosaroter Glasur.«
»Ruf an, wenn du noch etwas brauchst«, sagt John. »Ich bin für dich da.«
Plötzlich habe ich einen Kloß im Hals. Er ist für mich da. Wie wahr. Und er wird auch für Ellen da sein, das weiß ich. Er ist so verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk. Lächelnd lege ich auf.
»Weinen Sie etwa?«, fragt Ed, der Pferdelieferant.
»Ja.« Ich schenke ihm mein strahlendstes Zahnpastalächeln, wie Filly es nennt.
»Oh«, sagt er bloß, entwaffnet von meiner Ehrlichkeit.
»Okay.« Ich krame wieder meinen strengen Hochzeitsplaner-Tonfall hervor. Es funktioniert – Ed strafft die Schultern und sieht mich an. »Können Sie mir helfen, die Pferde auszuspannen und in den Verschlag hinters Haus zu bringen?« Er zuckt die Achseln und grinst, tut aber wie geheißen.
In der Küche stöbere ich tatsächlich drei Flaschen rosarote Lebensmittelfarbe auf. Ich kippe sie in einen Eimer und mache mich ans Werk. Es dauert eine Weile, aber die Mission ist erfolgreich. Man muss schon ganz genau hinsehen, um zu erkennen, dass die Pferde mit zwei verschiedenen Rosatönen gefärbt sind. Ich trete einen Schritt zurück und betrachte sie prüfend.
»Nicht schlecht«, bemerkt Ed anerkennend.
Ich lächle ihn an und gehe ins
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