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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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Willst du ihm nicht eine Tracht Prügel verpassen?«
    »Ich weiß es schon eine ganze Weile, Maureen.« John tritt verlegen von einem Fuß auf den anderen.
    »Und?«, fragt sie. »Hast du ihm eine Tracht Prügel verpasst, als du es erfahren hast?«
    »Äh, nein.«
    »Oh.« Maureen ist sichtlich enttäuscht.
    »Kommen Sie, wir gehen jetzt eine schöne Tasse Tee trinken«, sagt Filly und führt Maureen behutsam zum Aufzug. Bryan folgt den beiden, Declan bildet das Schlusslicht.
    Red lächelt mich an. »Mit Maureen wird es auch nie langweilig, oder?«
    Ich muss ihm Recht geben. »Nein, nie.« Ich drehe mich um und schicke mich an, in die Intensivstation zurückzukehren. Ich kann es kaum erwarten, Ellen wiederzusehen.

    An der Tür bleibe ich so unvermutet stehen, dass Red in mich hineinläuft.
    »Entschuldige«, sagt er. »Was ist los?« Dann sieht er, was ich sehe.
    Drei Gestalten, die sich über Ellens Brutkasten beugen. Eine in Blau, eine in Grün, eine in Weiß. Eine davon ist Andrea. Sie nagt an ihrer Unterlippe und starrt wie gebannt auf ein Gerät, das piepst und sirrt. Die Geräusche verursachen mir eine Gänsehaut, wie Fingernägel, die über eine Schultafel kratzen. Dann hält Andrea dem Arzt das Bullauge auf, damit er sein Stethoskop hindurchschieben kann. Er lauscht mit seinem gesamten Körper, Haupt und Knie gebeugt. Dann schließt er die Augen und schüttelt den Kopf.
    Erst, als mir Red sanft bedeutet, weiterzugehen, fällt mir auf, dass ich mich nicht bewegt habe. Bis zum Brutkasten sind es noch vier Schritte. Ich komme mir vor wie in einem Traum, in dem man läuft und läuft, ohne voranzukommen. Als wir am Inkubator angelangt sind, richtet sich der Arzt auf und Andrea schließt das Bullauge. Ich betrachte Ellen. Von so vielen Menschen umgeben wirkt sie kleiner als vorher. Unter der papierdünnen Haut zeichnet sich deutlich das zarte Muster ihrer Blutbahnen ab. Ich öffne den Mund, um die Frage zu stellen, aber ich habe einen Kloß im Hals und bringe keinen Ton heraus.
    »Setzen Sie sich, Scarlett«, befiehlt mir der Arzt ruhig.
    Ich schüttle den Kopf und taste nach Andreas Hand. Sie ist weich, und ich konzentriere mich auf ihre Wärme. Red ergreift meine andere Hand und drückt sie.
    »Scarlett, Ellens Atmung ist etwas instabiler geworden«, informiert mich der Arzt.
    Ich halte die Luft an. Wenn ich nicht Luft hole, solange er redet, wird Ellen es schaffen.

    »Wir müssen sie intubieren.« Er hält inne, wartet darauf, dass ich etwas sage.
    Ich starre ihn nur an.
    »Sie meinen, Sie werden sie künstlich beatmen?«, hakt John nach, als ihm klarwird, dass ich nichts zu sagen gedenke.
    »Ja«, sagt der Arzt.
    »Warum?«, will John wissen. »Wo liegt das Problem?«
    »Das wissen wir noch nicht genau.« Der Arzt konsultiert sein Klemmbrett. »Es könnte mit ihrer Lunge zu tun haben. Vielleicht eine Infektion. Wir werden einige Untersuchungen machen.«
    Schweigen. Schließlich meint Andrea: »Das Beatmungsgerät wird dafür sorgen, dass sie leichter Luft bekommt. Vielleicht ist das alles, was sie braucht. Ein bisschen Unterstützung, nur für ein Weilchen … Das ist nicht weiter ungewöhnlich.« Sie lächelt auf Ellen hinunter, dann sieht sie mich an.
    Meine Lungen verlangen brüllend nach Luft.
    »Falls eine Infektion die Ursache ist, was werden Sie dann tun?«, fragt John mit der ihm eigenen Beharrlichkeit.
    »Jetzt hängen wir sie erst einmal an das Beatmungsgerät, und sobald wir sie untersucht haben, wissen wir hoffentlich mehr«, erwidert der Arzt.
    Ich umklammere Andreas Hand, ohne zu atmen.
    Sie schiebt mich sanft auf einen Stuhl. »Scarlett, Sie müssen jetzt mal wieder Luft holen.« Damit drückt sie sanft meinen Kopf zwischen die Knie und reibt mir mit der Hand den Rücken, wie Phyllis es früher immer getan hat, wenn mir schlecht war. Ich atme aus und schnappe keuchend nach Luft. Einen Moment lang fürchte ich schon, ich könnte ohnmächtig werden oder mich übergeben, aber ich zwinge mich, keines von beidem zu tun, und ganz allmählich
normalisiert sich meine Atmung wieder und mein Herz hört auf, wie ein Squash-Ball in meiner Brust herumzuhüpfen.
    Dann geht alles ganz schnell. Röntgenbilder machen, Blut abnehmen, Narkose. Dann wird Ellen intubiert.
    Ich folge ihr überallhin, die Hand stets am Brutkasten, als könnte sie mir entgleiten, sobald ich diese fragile Verbindung unterbreche. Als könnte ich sie verlieren.
    Die Windel reicht ihr bis zu den Achselhöhlen. Sie nuckelt unbekümmert an

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