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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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verstummen, und in der Stille höre ich jemanden stöhnen. Schreien. Stolpern. Ich spüre, wie an der Innenseite meiner Oberschenkel etwas Warmes, Klebriges hinunterrinnt. Sehe Erbrochenes auf den polierten Lederschuhen des Passagiers hinter Sofia. Dann rast der Fußboden auf mich zu. Hart, aber angenehm kühl. Er ist schmutzig. Ich sehe zerkauten, ausgespuckten Kaugummi. Und Schuhe. Stiefel und Pumps und Sandalen mit Keilsohlen, und dazwischen doch tatsächlich ein paar Hush Puppies, die garantiert seit 1982 nicht mehr in Irland gesichtet wurden. Es ist so friedlich hier unten. Die Stille ergreift meine Hand und zerrt mich hinter sich her, und ich lasse mich von ihr ziehen, bis es um mich herum dunkel wird und ich nichts mehr spüre.

10
    Erst kommt die Welt nur ganz langsam zurück. Schatten und Umrisse. Gedämpfte Klänge, als befände ich mich unter Wasser. Geflüster, in Zeitlupe, sanft wie eine warme Brise. Einen Augenblick gestatte ich mir, durch diese Oase des Friedens zu schweben.
    »Ich glaube, sie kommt zu sich.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich habe gesehen, wie sich ihre Augen bewegen.«
    »Aber die sind doch geschlossen.«
    »Trotzdem haben sie sich bewegt. Du weißt doch, was für ein aufmerksamer Beobachter ich bin. «
    »Himmel, ich hoffe, sie kommt bald wieder auf die Beine. Diese Hochzeit wird sich nicht von allein planen.«
    Frostiges Schweigen. Dann: »Das war nur ein Scheherz! Ich versuche hier, die Stimmung ein bisschen aufzulockern. Herrgott nochmal, ein klitzekleines Nahtoderlebnis, und schon löst sich euer Sinn für Humor in Luft auf.«
    »Sie war weit davon entfernt zu sterben.«
    »War sie nicht. Du warst nicht dabei.«
    »Schluss jetzt«, schaltet sich eine dritte Stimme ein. »Filly, geh und hol jemanden. Sag, dass Scarlett allmählich zu Bewusstsein kommt.«
    Sobald mir klar wird, dass Bryan hier ist, schlage ich die Augen auf. Nur ein kleines bisschen. Meine schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich: Sofia Marzoni steht neben
mir, mit der Miene einer Löwin, die über ihre soeben geworfenen Jungen wacht.
    Ich würde gern wissen, wo ich hier bin, aber ich will nicht wie eine drittklassige Schauspielerin in einem billigen Fernsehdrama klingen, also frage ich nicht »Wo bin ich?«, sondern »Was macht ihr denn alle hier?«, was nicht ganz einfach ist, weil mein Mund ganz ausgetrocknet ist.
    Bryan reicht mir ein Glas Wasser. »Filly hat mich angerufen«, sagt er.
    »Und ich habe Filly angerufen. Gleich nachdem ich einen Krankenwagen gerufen hatte.« Sofia lächelt in die Runde. Sie hat die Brust noch weiter als sonst herausgestreckt.
    Erst als ich Filly auf uns zukommen sehe, erkenne ich, dass ich in einem Korridor liege. Ich hebe den Kopf. Ich bin nicht die Einzige. Es liegen ganz schön viele Leute in diesem Korridor, und alle sind umringt von Menschen. Erschöpft aussehenden, nervösen Menschen, die von einem Fuß auf den anderen treten und immer wieder nach rechts und links spähen. Und da wird mir klar, wo ich mich befinde.
    »Ich bin in der Notaufnahme, stimmt’s?«
    Die drei nicken.
    »Oh, Shit.«
    Bryan beugt sich über mich und drückt meine Hand. »Keine Sorge«, sagt er. »Es ist Dienstag, und die Schwester meinte, das ist normalerweise der ruhigste Tag der Woche.« Er muss richtiggehend schreien, um das Stöhnen und Röcheln und Wehklagen der anderen Patienten zu übertönen. Ich hebe den Kopf und zähle einmal kurz durch. Es liegen bestimmt fünfundsiebzig Leute in diesem Korridor.
    »Ah, jetzt sind wir also wach?« Wir fahren herum, als eine Krankenschwester wie aus dem Nichts neben meinem
fahrbaren Bett auftaucht. Ihre Fröhlichkeit wirkt irgendwie fehl am Platz in diesem überfüllten Behelfslazarett. Da wir alle vier wach sind, nicken wir und warten darauf, dass sie noch etwas sagt, mit dieser Stimme, die einen wärmt wie ein Kaminfeuer in einer kalten Novembernacht. Das Erste, was mir an ihr auffällt, ist das Namensschild (sie heißt Dympna, ein beruhigend solider Name) und ihr Klemmbrett, an dem oben mit einem Stück Schnur ein Stift befestigt ist. Ich lächle sie an. Sie sieht aus wie eine Frau, die sich auskennt.
    Dympna konsultiert ihre Unterlagen. »Also, die gute Nachricht ist, die Blutungen haben aufgehört …«
    »Blutungen?«
    Dympna lässt das Klemmbrett sinken und sieht mich an. »Hatten Sie Schmerzen, ehe Sie zusammengebrochen sind?«
    »Ich bin nicht zusammengebrochen«, sage ich. »Ich habe mich nur etwas schwach gefühlt.«
    »Und ob du

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