Und plotzlich ist es Gluck
tausendteiliges Puzzle einfügt. Es gab wie gesagt kein Feuerwerk, aber dafür überzog ein prächtiges Glühen meinen persönlichen Himmel, als würde sich nach einem langen grauen Tag die Sonne zeigen.
John ist weder groß noch klein, weder dick noch dünn. Die meisten würden ihn als durchschnittlich bezeichnen. Doch als mein Blick an jenem Tag nach unten glitt, kam ich zu dem Schluss, dass mir sein Hintern in der dunkelbraunen Hose gefiel. Er sah rund und anschmiegsam aus, und ich fragte mich, ob er wohl behaart war oder nicht. Ich hoffte auf Letzteres.
Johns sparsamer Umgang mit der Sprache gefiel mir. Er redete nur, wenn er wirklich etwas zu sagen hatte.
Als er mich zum Essen einlud, nahm ich an.
Er ist Vegetarier wie ich, aus denselben Gründen wie ich. Wir sind beide sehr tierlieb, aber nicht fanatisch. Insgesamt hatten wir dreieinhalb Katzen (eine von seinen war damals trächtig).
Seinen Musikgeschmack (vornehmlich Jazz und Klassik)
fand ich zwar eher langweilig, aber wir teilten eine Vorliebe für Sachbücher und vollmundige Rotweine, getrunken aus großen, bauchigen Gläsern.
Als er ein Jahr nach unserer ersten Begegnung bei dem Golfevent »Ich liebe dich« sagte, erwiderte ich »Ich liebe dich auch«. Es fühlte sich richtig an.
An unserem zweiten Jahrestag fragte er mich, ob ich zu ihm ziehen wolle, und ich sagte ja. Es gab nichts, was dagegen gesprochen hätte.
Wir wollten beide weder heiraten noch Kinder bekommen, und wir verspürten auch nicht das Bedürfnis, gemeinsames Wohneigentum zu erwerben, ehe sich die Preise auf dem Immobilienmarkt wieder einigermaßen normalisiert hatten.
Wir waren glücklich mit diesen Entscheidungen. Ich nahm John in mein Leben auf wie andere Leute ein Sofa, das sie bei einem Möbelhaus bestellt haben. Was nicht bedeutet, dass ich ihn nicht geliebt habe. Ich habe ihn sehr wohl geliebt.
Wie sich herausstellte, war sein Hintern zwar behaart, aber ich gewöhnte mich bald daran, und nach einer Weile fiel es mir gar nicht mehr auf.
9
»Ist hier noch frei?« Ich hebe den Kopf. Eine Frau lehnt sich über einen Doppelkinderwagen hinweg zu mir rüber.
»Ja«, sage ich und erhebe mich. »Ich wollte gerade gehen. «
»Aber Sie haben Ihren Lebkuchenmann gar nicht angerührt, und Ihren Kaffee auch nicht. Latte Macchiato, richtig?«
»Äh … Ich …«
»Das waren noch Zeiten, als wir Kaffee von Maxwell House getrunken haben und vollauf zufrieden damit waren«, stellt sie fest und nimmt ihre Baby-Trage vom Rücken. »Und wie teuer das alles geworden ist. Unglaublich.« Sie löst die Sicherheitsgurte des Doppelkinderwagens. Bei den beiden Zwergen darin handelt es sich allem Anschein nach um Zwillinge.
»Die sind ja … süß«, sage ich und deute auf die Kleinen. Erst jetzt fällt mir die Trageschlinge auf, in der sich, eng an ihren Bauch geschmiegt, ein Neugeborenes befindet. Seinen Kopf ziert ein dunkler Haarstreifen, genau in der Mitte, wie ein Mini-Mohikaner.
»Die reinste Landplage«, schnaubt sie, während sie mehrere Plastikbecher und Tupperwaredosen auf den Tisch stellt.
Ich grinse, damit sie weiß, dass ich weiß, dass das nur ein Scherz war, obwohl ich eigentlich gar nicht so sicher bin.
Die nächste Aufgabe auf meiner To-do-Liste ist die Sicherheitskontrolle. Ich habe mir angewöhnt, jeden einzelnen Tag mit Hilfe der Strategie der kleinen Schritte zu bewältigen. Immer schön eins nach dem anderen, und bloß keine allzu großen Herausforderungen. Ich weiß, es ist kein Kinderspiel, durch die Security am Dubliner Flughafen zu kommen, aber es ist zu schaffen. Schwierig, aber nicht unmöglich. Und solange ich damit beschäftigt bin, muss ich nicht denken. An den Termin in der Klinik, heute Nachmittag um eins. An den Zellhaufen, der größer und größer wird und zum Baby heranwächst. Und da ist es, das schlimme Wort mit den vier Buchstaben. Ich darf auf keinen Fall über dieses Wort nachdenken, sonst wird das hier nichts mehr. Ich lege einen Zahn zu und stelle mich in die Schlange an der Sicherheitskontrolle.
»Scarlah! Scarlah O’Hara! Hallo!«
Ich wende den Kopf, genau wie alle Leute, die vor und nach mir in der langen Schlange stehen, und sehe Sofia Marzoni auf mich zukommen. Ohne ihre Schwestern wirkt sie größer. Beeindruckender. Zähne wie eine amerikanische Schauspielerin, wallende schwarze Mähne, lange rote Fingernägel. Der Hosenanzug, den sie trägt, ist hellgelb, etwa von derselben Farbe wie frisch frittierte Pommes.
»Tag, Sofia. Wie
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