Und plotzlich ist es Gluck
doch tatsächlich abgesagt.« Er legt eine Kunstpause ein. Pure Effekthascherei, aber es funktioniert – selbst ich halte gespannt die Luft an. Cyril versteht sich meisterhaft auf das Erzählen von Geschichten. »Sie hat es sich sehr zu Herzen genommen.«
»Wie sehr?«, hakt Maureen nach.
»Sie hat sich in die Nervenklinik St John of Gods einweisen lassen, sagt Maurice.« Maurice ist Olwyn Burkes schwer geprüfter Ehegatte. In meinen Augen ist er ein Heiliger.
Maureen birgt das Gesicht in den Händen, zweifellos, um ihr schadenfrohes Grinsen zu verbergen, und gibt einen
Laut der Begeisterung von sich, der nur dürftig als Schreckensschrei getarnt ist. »Für wie lange denn?«
»Das wusste Maurice noch nicht, aber mindestens ein paar Wochen. Er wirkte sichtlich erleichtert. Sagte, sie wäre in letzter Zeit sehr aufgewühlt gewesen und bräuchte dringend etwas Erholung.«
Ich wäre beinahe in schallendes Gelächter ausgebrochen. Wenn einer von den beiden dringend Erholung nötig hat, dann Maurice. Ich stelle mir vor, wie er im Salon, wie Olwyn es nennt, auf der Couch sitzt und sich ein Fußballspiel reinzieht. Die Füße – noch in den Schuhen – auf einen Hocker gelegt, mit einer Flasche Bier in der einen und der Fernbedienung in der anderen Hand und einer fettgetränkten braunen Papiertüte mit einer Portion Fritten auf dem Bauch.
»Wir müssen uns also unverzüglich ans Werk machen, meine Liebe«, wendet sich Cyril an Maureen. »Sei so gut und zieh dich an. Ich warte im Arbeitszimmer auf dich. Declan ist nicht zu Hause, oder?« Er späht hinter die Vorhänge rechts und links der Eingangstür, als könnte sich mein Vater dort verstecken.
»Nein, er ist bei Hugo, glaube ich. Sie proben für dieses Vorsprech-Dingens. Wir haben das ganze Haus für uns.« Kommt es mir nur so vor, oder schwingt da eine kokette Note in ihrer Stimme mit? Ich blicke zum Treppenabsatz, um meine Mutter daran zu erinnern, dass ich, ihre Tochter, hier bin, aber sie ist bereits ins Schlafzimmer gestürmt, wo sie vermutlich gerade sämtliche Schubladen aufreißt und den Inhalt ihrer Schmuckschatulle auskippt und Schuhschachteln unter dem Bett hervorholt, um ein geeignetes Outfit zusammenzuschustern.
»Hast du außer Haus zu tun, Scarlett?«, erkundigt sich Cyril mit einem geradezu unanständig hoffnungsvollen Glanz in den Augen.
»Äh, nein, aber ich werde die meiste Zeit oben in meinem Zimmer sein.«
»Oh, gut.« Cyril strebt auf das Arbeitszimmer zu. »Äh, ich meine, es ist gut, dass du die Anweisungen des Arztes befolgst und dich ausruhst. Maureen hat mir von deiner … Lage erzählt.« So, wie er das sagt, klingt es, als hätte ich mir eine tödlich verlaufende Art von Genitalherpes zugezogen. Nicht zum ersten Mal wünsche ich mir, meine Mutter wäre etwas diskreter. Ein bisschen mehr wie Bryans Mutter und ein bisschen weniger … nun ja, sie selbst.
Ich mache Tee und Toast, den ich in Streifen schneide (es gibt weder Honig noch Avocados) und begebe mich damit nach oben. Auf dem Treppenabsatz kommt mir Maureen entgegen.
»Oh, vielen Dank, Schätzchen, ich bin am Verhungern. Muss an dem ganzen Stress liegen. Erst du und jetzt auch noch Olwyn …«Sie schiebt sich einen Streifen Toast in den Mund. »Ach ja, könntest du Olwyn einen Blumenstrauß samt Grußkarte in die Klinik schicken lassen? Schreib einfach ›Liebe Olwyn, ich wünsche dir von Herzen alles Gute und eine baldige Genesung, es küsst dich deine liebe Freundin Maureen O’Hara‹, okay?«
Der leuchtend orangerote Seidenschal, den sie sich um den Hals gewunden hat, weht hinter ihr her, als sie die Treppe hinuntereilt, wobei sie »Love Is All Around Us«, das Schlusslied des Musicals, vor sich hin trällert. Mit kurzen Unterbrechungen, um sich einen Bissen Toast und einen Schluck Tee zu Gemüte zu führen.
Ich ziehe in Erwägung, in die Küche zurückzukehren und mir eine weitere Ladung Tee und Toast zu machen, doch der süßliche Duft ihres Lieblingsparfums (Femme Fatale) hat dafür gesorgt, dass mir der Appetit vergangen ist. Leicht benommen gehe ich in mein Schlafzimmer, nicht
ohne mich unterwegs davon zu überzeugen, dass Blue noch immer im beheizten Wäscheschrank sitzt und schmollt. Er wendet den Kopf ab und würdigt mich keines Blickes, selbst, als ich drei seiner Lieblings-Katzenplätzchen auf den Stapel Handtücher neben ihm lege, aber ich weiß, dass er sich darüber hermachen wird, sobald ich die Tür geschlossen habe. Dann rufe ich beim Blumenladen an
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