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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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Maureen.
    »Übernimm dich nicht, hörst du?«, ermahnt mich Declan,
ehe er seine Aufmerksamkeit wieder Maureen und dem Stück widmet. »Also, was meinst du, was ist hier in dieser Szene die Motivation deiner Figur?«
    »Gut, dass du das ansprichst, Declan, darauf wollte ich gerade …« Und so geht es immer weiter, und sie überschlagen sich förmlich vor Begeisterung darüber, dass sie eine Rolle spielen dürfen und sich an ein Drehbuch halten müssen. Dass es einen Regisseur gibt, der ihnen sagt, wo sie stehen und wann sie sich setzen und welche Miene sie dabei zur Schau stellen sollen. Und weil das viel einfacher ist als das echte Leben, umarmen sie ihre Rollen und drücken sie an sich wie einen alten Freund.

17
    Der erste Tag nach dem Krankenstand erinnert mich an meinen ersten Schultag. Morgens übergebe ich mich, genau wie damals, vor all den Jahren. Allerdings sehe ich diesmal davon ab, Phyllis und George zu bitten, dass sie sich als meine Eltern ausgeben sollen. Declan und Maureen waren zum Zeitpunkt meiner Einschulung gerade unterwegs gewesen, deshalb wurde ich damals von unserer Haushälterin und unserem Gärtner begleitet.
    Ich fahre noch früher als sonst ins Büro, so früh, dass noch nicht einmal die Leute vom Sicherheitsdienst da sind.
    Doch ich habe nicht mit Elliot gerechnet, der wie ich unter Schlafstörungen leidet und manchmal einfach zur Arbeit fährt, wenn sämtliche Einschlaftricks versagt haben. Hühner zählen zum Beispiel (er sagt, mit Schafen klappt es bei ihm nicht) oder die skurrileren Einträge im Guinness Buch der Rekorde lesen. Hin und wieder zieht er sich auch alte Folgen von Unsere kleine Farm rein und trinkt literweise Cranberrysaft mit Limettenspalten.
    Jetzt steht er in der Küche und rührt Kakaopulver in eine Tasse warme Milch, wobei er verhalten die alte irische Volksweise »You Raise Me Up« vor sich hin summt. Als er mich erblickt, lässt er scheppernd seinen Löffel in die Spüle fallen und presst sich die Hand auf den Mund. Dann stößt er mit weit aufgerissenen Augen hervor: »Scarlett! Ein Glück, dass du noch lebst!« Er fällt über mich her, ehe ich mein übliches »Untersteh dich!«
abfeuern kann, und drückt mich kräftig an sich, bis es weh tut, denn er ist so klapperdürr, dass an allen Ecken und Enden die Knochen hervorstehen. Außerdem ist er ziemlich groß, ich reiche ihm gerade mal bis zum Kinn, und ich weiß jetzt schon, dass der Abdruck seines obersten Hemdknopfs noch Stunden später auf meiner Stirn zu sehen sein wird. Es fühlt sich an, als würde man von einer Gottesanbeterin umarmt. Trotzdem kann er es einfach nicht bleiben lassen. Er umarmt selbst die männlichen Mitarbeiter unserer Firma, wenn sie ihn lassen, und das tun die meisten.
    Jetzt schiebt er mich auf Armeslänge von sich und mustert mich mit der ängstlichen Miene eines Vaters, der sein Kind nach einem Unfall mit dem Hüpfstab auf Beulen und blaue Flecken untersucht.
    »Filly hat uns erzählt, was passiert ist.«
    Mist. Ich hätte Filly ein spezielles Gebrechen nennen sollen, statt ihr freie Hand zu lassen. Über der Aufregung neulich hatte ich ganz vergessen, dass sie nicht nur eine lebhafte Fantasie hat, sondern auch eine ausgeprägte Schwäche für haarsträubende Geschichten.
    »Hmja. Es geht mir schon viel besser, danke«, sage ich und setze das gesündeste Lächeln auf, das ich zurzeit im Repertoire habe.
    »Wie, es geht dir schon viel besser?« Er reißt die Augen noch weiter auf. »Setz dich, setz dich. Ich mache dir jetzt eine Tasse Tee. Ordentlichen Tee, nicht dieses Spülwasser, das du sonst trinkst.« Er dirigiert mich zum bequemsten Stuhl in der Küche, und ich lasse mich dirigieren, weil das das Einfachste ist. Dann hängt er zwei Beutel in meine Tasse und kippt kochendes Wasser darauf. »Hier, trink das«, befiehlt er mir, als wäre ich sechs Jahre alt. »Ich habe vier Löffel Zucker reingetan, und ich dulde keinen Widerspruch,
klar? Du brauchst das jetzt, nach diesem Schock, hörst du?«
    Ich nicke. Ich brauche weit mehr als gezuckerten Schwarztee, aber ich schätze, es ist ein Anfang.
    »Hat der Arzt schon Entwarnung gegeben?«
    »Entwarnung?«
    »Natürlich nicht. Was rede ich nur für einen Unsinn? « Er sprudelt förmlich über vor Mitgefühl.
    Meine Gedanken rasen.
    Grippe. Warum konnte Filly nicht einfach sagen, eine gute alte stinknormale Grippe hätte mich erwischt? Oder die Masern. Meinetwegen auch temporäre Blindheit oder Schwindelanfälle aufgrund einer akuten

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