Und plotzlich ist es Gluck
über arbeitende Mütter denkt.«
Fillys Schweigen kommt einem Kopfnicken gleich. Arbeitende
Mütter stehen ganz oben auf Simons ›Dinge, die ich hasse‹-Liste, gleichauf mit Ausländern (in seinen Augen alles Schmarotzer, Nichtsnutze, Drückeberger ) und Bauarbeitern (er hat unlängst sein Haus in Dalkey renovieren lassen, was nicht wie versprochen zwei Monate, sondern ein ganzes Jahr gedauert hat, in dem er es mit seiner miesen Laune durchaus mit einer an PMS leidenden Margaret Thatcher hätte aufnehmen können).
»Ich muss jetzt auflegen«, sage ich. »Mir wird schon wieder schlecht.« Außerdem ruft Maureen mit ihrer »Ich bin schon ganz schwach vor Hunger«-Stimme nach mir.
»Eine Freundin von mir ist Stewardess«, tut Filly aus unerfindlichen Gründen kund.
»Und?« Habe ich einen wichtigen Teil des Gesprächs verpasst?
»Ich werde sie bitten, einen Stapel Spucktüten für dich zu organisieren. Die sind super praktisch. Wenn du ein paar in deiner Handtasche verstaust, kannst du dich jederzeit und überall übergeben.« Sie ist hörbar stolz auf ihren Einfall.
In diesem Augenblick lässt mich die Türklingel zusammenfahren. Das könnte Declan sein.
»Filly, ich muss jetzt wirklich auflegen. Wir hören uns später, ja?«
»Pass auf dich auf, Letty.« Filly nennt mich Letty, und ich lasse sie gewähren. Weil ich ehrlich gesagt machtlos bin. Sie kürzt einfach alles ab.
»Mach ich. Äh, Filly …?« Ich breche ab, weil ich keine Ahnung habe, wie ich das, was ich auf dem Herzen habe, in Worte fassen soll.
Filly kommt mir zuvor. »Schon gut, Letty. Ich weiß.«
Aber ich will es aussprechen.
»Ich … äh … danke. Für gestern und … für alles.«
»Meine Güte, Scarlett, die Hormone haben dich bereits fest im Griff, was? Als Nächstes sagst du mir womöglich noch, dass du mich liebst.«
Plötzlich habe ich einen Kloß im Hals. Ungefähr so muss es sich anfühlen, wenn man im Begriff ist, in Tränen auszubrechen. Es ist ein seltsames Gefühl für mich, weil ich nämlich nicht mehr geweint habe, seit ich sechseinhalb Jahre alt war. Ich sage nie Ich liebe dich. Dieser Satz kommt mir nicht über die Lippen, jedenfalls nicht Freunden gegenüber. Ich zwinkere ein paarmal und kneife mich in die Nasenspitze. Es funktioniert – ich weine nicht.
»Schluss jetzt mit den Gefühlsduseleien«, sagt Filly. »Sieh zu, dass du deinen knochigen Hintern ins Bett schwingst und eine Mütze Schlaf nimmst.« Sie legt auf. Es klingelt erneut an der Tür. Ich kann die auffallende Silhouette von Cyril Sweeney hinter der gemusterten Glasscheibe ausmachen, deutlich erkennbar an seinem Hut – einer Melone – und dem Umhang, den er stets trägt. Kaum habe ich die Tür geöffnet, hopst er auch schon in den Korridor wie ein junger Hund, den man gerade von der Leine gelassen hat.
»Guten Morgen, Scarlett, meine Liebe«, begrüßt er mich, begleitet von einer tiefen Verbeugung ab der Hüfte. Ich höre förmlich seine Hüftknochen knacksen, als er sich wieder aufrichtet. »Ich muss dringend mit Maureen sprechen, ich bringe wichtige Neuigkeiten.«
»Von erfreulicher Natur?«, frage ich. Ich kann nicht anders.
»Erfreulich? Nicht unbedingt. Nein, das kann man nun wirklich nicht behaupten.« Er beugt sich zu mir und zischt mit etwas gedämpfter Stimme, aber trotzdem deutlich hörbar: »Es geht um Olwyn Burke – sie liegt darnieder.«
Von oben ertönt ein spitzer Schrei, und Maureen erscheint
auf dem Treppenabsatz. Sie trägt noch immer ihren Morgenmantel, hat inzwischen aber Make-up aufgelegt. »Ist es schlimm? «, ruft sie.
Die hiesige Laienbühne spielt dieses Jahr Romeo und Julia – das Musical ( Romeo und Julia light sozusagen), und Olwyn Burke, der man die Rolle von Julias Amme zugeteilt hat, ist bekannt für ihr schwaches Nervenkostüm, wie Phyllis es ausdrückt. Maureen ist als Zweitbesetzung für die Amme vorgesehen, und sie macht sich große Hoffnungen, zum Einsatz zu kommen. Sie ist eine unverbesserliche Optimistin.
»Ach, Maureen, es ist grässlich. GRÄSS-lich.« Cyril setzt eine angemessen betrübte Miene auf. »Du weißt doch, dass die Zeitschrift Landsitz, Wimperg, Gartenzwerg einen Beitrag über Olwyns alljährliches Gartenfest bringen sollte.«
»Ja, natürlich weiß ich das«, schnappt Maureen ungeduldig.
»Nun … «, Cyril richtet sich zu seiner vollen Größe auf, wobei er dank der Absätze seiner Cowboystiefel auf knapp einen Meter siebzig kommt. »Stell dir vor, die Zuständigen haben den Termin
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