Und plotzlich ist es Gluck
Vertrautheit ist in Rauch aufgegangen, genau wie Declans Haare, und im Gegensatz zu den Haaren wird er wohl nicht allzu bald wiederkehren.
»So, und jetzt ab in die Wanne mit dir«, sage ich. »In einer Viertelstunde gibt es Abendessen, okay?«
Eines muss man Declan zugutehalten: Er besitzt immerhin den Anstand, eine zerknirschte Miene zur Schau zu stellen. Er hält sich den Eisbeutel, den ich ihm reiche, an die Stirn, und lässt sich aus der Küche schieben. »Wo ist deine Mutter?«
»Sie hat sich hingelegt, weil sie müde war, nachdem sie mit Cyril stundenlang geprobt hat.« Ich musste ihr sogar die Treppe hinaufhelfen. Es dauerte volle zehn Minuten, sie von ihren Accessoires (und ihr Bett von den Kleiderbergen) zu befreien, und dann mussten wir noch die Augenmaske suchen, ohne die sie tagsüber nicht schlafen kann.
Declan taucht an diesem Abend nicht mehr in der Küche
auf. Wahrscheinlich hat er die Lasagne einfach vergessen und ist ins Bett gegangen. Wäre nicht das erste Mal. Ich schaufle zwei Portionen auf zwei Suppenteller – eine für mich, eine für Blue, der angetrippelt kommt, als er riecht, dass es etwas zu futtern gibt. Gleich darauf sitzen wir auf dem Sofa im Wohnzimmer und machen uns einigermaßen einträchtig über unser Abendbrot her. Blue hat mir noch nicht ganz verziehen, dass ich ihn im Schrank eingesperrt habe, aber gegen den Hunger kommt sein Groll nicht an.
Außerdem liebt er meine Lasagne, obwohl sie kein Gramm Fleisch enthält.
Es liegt an den gegrillten Paprikaschoten.
Er liebt gegrillte Paprikaschoten.
16
Ich halte es noch genau zwei weitere Tage aus, dann kapituliere ich und fliehe wieder in mein Büro, das verglichen mit dem Haus meiner Eltern die reinste Ruheoase ist.
»Aber der Arzt hat gesagt, du sollst dich erholen«, gibt Bryan zu bedenken, als ich ihm von meinen Plänen erzähle.
Ich schnaube und sehe mich nach allen Seiten um, ehe ich sage: »Erholung habe ich im Büro garantiert mehr als hier.«
»Was? Ich höre dich kaum. Was ist denn das für ein Krach im Hintergrund?«
Ich habe nicht vor, ihm auf die Nase zu binden, dass Declan und Maureen im Badezimmer neben ihrem Schlafzimmer im Whirlpool sitzen und gemeinsam den Text für Romeo und Julia – das Musical einstudieren. In der Szene, die sie gerade proben, wird unheimlich viel gestritten und geflucht. Dazwischen erklingt ständig das Klirren der Sektflöten, untermalt vom Brummen der Jacuzzi-Düsen. Blue, der vor der Badtür sitzt und lautstark Einlass verlangt, kommt noch erschwerend hinzu. Er liebt die feuchte Hitze, die durch den Whirlpool entsteht, obwohl ihm der Wasserdampf immer einen Afrolook à la Jackson Five beschert.
»Ach, das ist nur der Fernseher. Warte, ich drehe den Ton zurück.« Ich verpasse meiner Zimmertür einen Tritt. »Außerdem ist es das Beste, wenn ich beschäftigt bin, sonst komme ich ins Grübeln. Hier habe ich nicht genügend zu tun. Die Rund-um-die-Uhr-Betreuung von Maureen und
Declan ist zwar zeitaufwendig, aber geistig bin ich nicht annähernd ausgelastet.«
»Aber … du solltest dir eine Auszeit nehmen … um über alles nachzudenken.«
»Das habe ich bereits getan, Bryan. Ich … Du weißt doch, das ist meine Art und Weise, damit fertigzuwerden. «
»Ja, weiß ich«, entgegnet er. »Aber wie fühlst du dich? Körperlich, meine ich. «
Ich überlege. »Von der Übelkeit und den Speiorgien und der Erschöpfung einmal abgesehen eigentlich ganz gut.«
Maureens Stimme dringt an mein Ohr. »Scarlett! Wir haben keinen Sekt mehr! Könntest du vielleicht …?«
»Ich muss jetzt auflegen, Bryan. Danke für den Anruf.«
»Ich melde mich morgen«, verspricht er und verabschiedet sich.
Ich gehe in die Küche, öffne eine Flasche Sekt, wasche und putze ein paar Erdbeeren und bestreiche ein gutes Dutzend Salzcracker mit Brie. Als Unterlage.
»Wann gibt es Abendessen?«, erkundige ich mich, als ich das Bad betrete, wobei ich tunlichst den Blick auf den Boden geheftet halte. Mal sehen, wie sie reagieren.
Einen Moment lang herrscht betroffenes Schweigen.
»Oh … nun, ich …« Maureen ist völlig vor den Kopf gestoßen und nicht in der Lage, einen zusammenhängenden Satz zu bilden.
»Lasst uns auswärts essen«, ruft Declan über das Dröhnen der Düsen hinweg. Er findet die Lösung für fast alle Probleme außer Haus.
»Geht ihr nur, ich mache mir lieber ein Sandwich und lege mich schlafen«, sage ich. »Morgen muss ich wieder ins Büro.«
»Das freut mich, Schätzchen«, flötet
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