Und plotzlich ist es Gluck
nicke, nur um wieder den Kutschersitz einzunehmen, sobald sie weg ist.
Filly steckt noch einmal den Kopf zur Tür herein und zischt: »Und sieh zu, dass du dir ein bisschen Farbe ins Gesicht klatschst. Verglichen mit dir sieht ja jede drei Tage alte Leiche kerngesund aus.«
Ich schaffe es mit Müh und Not auf die Toilette, ehe mir die drei Tropfen Wasser hochkommen, die ich mir vor ein paar Minuten von den Fingern geleckt habe. Danach geht es mir etwas besser. Gut genug jedenfalls, um mich im Spiegel zu betrachten. Aufmerksam genug, um den Fleck von Erbrochenem zu entdecken, der meinen Blazeraufschlag ziert. Ich bin zu erschöpft, um ihn wegzurubbeln. Meine Arme fühlen sich bleischwer an. Wenn ich mich jetzt auf den harten Fliesenboden legen würde, wäre ich binnen Sekunden eingeschlafen.
Ich fische meine Puderdose aus der Handtasche, hole tief Luft und öffne sie. Der Puder riecht nach toten Nacktschnecken. In einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium. Aber es muss sein, wenn ich nicht riskieren will, dass mich jemand mit Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben versucht.
Die Tür schwingt auf, und Gladys Montgomery kommt herein. Die hat mir gerade noch gefehlt.
»Scarlett, du siehst ja furchtbar aus. Bist du etwa immer noch unpässlich? «, fragt sie, und nach ihrem Tonfall zu urteilen hofft sie, dass ich sterbenskrank bin.
Sie verschwindet in einer der Kabinen, ehe ich etwas erwidern kann, und beginnt zu pinkeln, lang und laut. Sie gehört zu den Leuten, die gleichzeitig ihre Blase entleeren und reden können.
»Sofia Marzoni wartet in deinem Büro.«
»Ach ja?« Ich sehe auf die Uhr. Hoppla. Ich bin seit fast zehn Minuten auf der Toilette.
»Ja. Du solltest dich beeilen, eine Marzoni wartet nicht gern«, trompetet sie in voller Lautstärke, damit ich sie über ihren Urinwasserfall hinweg hören kann. Sie pinkelt wie ein Esel, und dann pupst sie. Ein hoher, quietschender Pups, gefolgt von einem leisen, erleichterten Stöhnen, als wäre ich gar nicht da.
Ich trete hinaus in den Korridor und kehre zurück in mein Büro. Humpelnd, weil ich mir vorhin in der Eile den Zeh am Fuß der Toilette angestoßen habe. Mir ist heiß. Ich trage meinen Blazer über dem Arm, wobei der mit Kotze befleckte Aufschlag sorgfältig verdeckt ist. Ich bin etwa drei Meter von meinem Büro entfernt, als ich von drinnen Stimmen vernehme. Eine gehört Sofia, laut und kehlig, die zweite Filly, hoch und gepresst. Die dritte Stimme ist eine Männerstimme. Eine Stimme, die nach Gin und Zigaretten klingt. Manche Leute hätten sie zweifellos als sexy bezeichnet. Ich gehe langsamer, bleibe stehen.
Die Tür schwingt auf. »Ah, Scarlett, da bist du ja endlich«, sagt Filly jovial. Sie tritt auf den Korridor, schließt die Tür hinter sich und zischelt: »Warum zum Teufel hat das so lange gedauert? Los, schieb gefälligst deinen schwangeren Arsch hier rein! Sofia und ihr Verlobter, ein gewisser Daniel oder so, sitzen hier schon eine ganze Weile, und sie wird allmählich ungeduldig.«
»Seine Stimme … sie klingt so vertraut. Ich …«
»Wir haben jetzt keine Zeit zum Plaudern, Scarlett. Hopp, hopp!«
Ich gehe auf die Tür zu und öffne sie.
Filly ist direkt hinter mir.
24
»Wie geht’s, Scarlah? Meine Güte, du siehst aus wie ein Eimer weiße Tünche.« Ich habe kaum die Schwelle überquert, da schließt mich Sofia auch schon in die Arme. Ich lasse es über mich ergehen, weil ich ohnehin nichts dagegen unternehmen kann. Ihre dichte Mähne raubt mir einen Augenblick die Sicht.
»Püh, du riechst ja grauenhaft nach Eau de Kotz. Das ist wohl die morgendliche Übelkeit, was? «
»Morgendliche Übelkeit?« Das war die Männerstimme.
Endlich lässt Sofia von mir ab und dreht sich um. »Dich hatte ich ja schon beinahe vergessen. Scarlah, das ist Daniel Butler, mein Verlobter.« Sie tritt einen Schritt zur Seite, und sein Anblick trifft mich wie ein Schlag auf die Stirn. Sofias Stimme überrollt mich wie ein Panzer. »Alle nennen ihn Red«, fährt sie fort. »Red, das ist Scarlah O’Hara, unsere Hochzeitsplanerin. Sie ist schwanger.« Sofia überbringt die Nachricht wie ein Zeitungsjunge seine Zeitungen, schleudert sie in hohem Bogen blindlings durch die Luft, so dass sie sich ein paarmal in der Luft dreht, ehe sie zu Red Butlers Füßen landet. Er hebt sie nicht auf. Er steht regungslos da, mit offenem Mund, und starrt mich an. Ich starre zurück.
»Ich wusste doch, dass du mir bekannt vorkommst«, sagt Filly.
»Du heißt also
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