Und plotzlich ist es Gluck
Mühe, enthusiastisch zu klingen. Das ist bereits ihr vierter Anruf heute.
»Wie ich höre, hast du John erzählt, dass du schwanger bist«, sagt sie. Sie versucht, mir einzureden, dass sie meine NBF (neue beste Freundin) ist, weil sie intime Details aus meinem Leben kennt. Was zwar den Tatsachen entsprechen mag, so aber nicht geplant war. »Ich weiß es von Filly, und ich finde es großartig, ganz im Ernst. Auch, dass er zurückkommt. Hervorragend. Er klingt, als wäre er ein Mann, auf den man sich verlassen kann … vorausgesetzt, er kommt nicht noch einmal auf die Idee, einfach so zu verduften. « Sie legt eine kurze Pause ein, wohl, um zu testen, ob ich bereits darüber lachen kann. Da ich es nicht tue, fährt sie ungerührt fort: »Aber Filly meinte, das wäre nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Sie kann sich nicht vorstellen, dass er sich diese Nummer noch einmal leistet. Das heißt also, du kannst dich voll und ganz auf die Organisation
meiner Hochzeit konzentrieren.« Sie bricht ab, um Luft zu holen, und ich öffne den Mund, um etwas zu entgegnen, doch ich bin nicht schnell genug. »Apropos«, fährt sie fort, »ich habe mir das mit dieser Sängerin namens Pink noch einmal durch den Kopf gehen lassen …« Sofia weiß noch gar nicht, dass sich Pink ziemlich auf den Schlips getreten fühlte, als sie hörte, dass sie auf einer Hochzeit singen soll. »… und ich hab’s mir anders überlegt. Ihre Songs sind ein bisschen aggressiv für eine Hochzeit, nicht?«
Ich bin erleichtert. Ich hasse es, meinen Bräuten sagen zu müssen, dass ich einen ihrer Wünsche nicht erfüllen kann.
»Ich werde stattdessen Chris de Burgh engagieren. Er soll den ersten Song singen, und zwar ›Lady in Red‹, aber mit ›pink‹ statt ›red‹.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, verspreche ich. Chris de Burgh, das könnte klappen. Er wirkt immer so beflissen, und außerdem kann es gut sein, dass Elliots Mutter ihn kennt, oder dass sie jemanden kennt, der ihn kennt. Sie kennt unheimlich viele Leute.
»Und sag ihm, er soll sich vor meiner Hochzeit die Augenbrauen zupfen lassen, okay?«
»Äh …«
»Das war ein Scherz, Scarlah! Entspann dich, ja? Ich sollte dir Red rüberschicken, damit er dich massiert. Er versteht sich hervorragend auf Rücken- und Nackenmassagen. Er hat sehr talentierte Hände, wenn du weißt, was ich meine.« Sofia ist ungefähr so subtil wie eine dieser britischen Filmkomödien aus der Ist ja irre- Serie, und die Tatsache, dass ich haargenau weiß, was sie meint, macht die ganze Angelegenheit nur noch unerträglicher.
»Ich rufe dich heute Abend an, wenn ich mehr Zeit zum Plaudern habe. Ciao«, flötet sie und legt auf.
Ich lasse den Kopf auf den Schreibtisch sinken und
hämmere mit dem Telefonhörer ein paarmal auf die Tischplatte.
»Was ist denn das für ein Krach hier?« In meinem Büro herrscht heute ein Betrieb wie zu Silvester auf dem Times Square, worüber ich eigentlich ganz froh bin, aber ich rede mir ein, dass es mich nervt. Ich hebe den Kopf.
Es ist bloß Filly. Sie begrüßt mich mit dem üblichen »Morgensorryfürdieverspätung« und betritt mein Büro mit zwei Bechern Magermilch-Latte-Macchiato, einem Donut mit rosa Zuckerguss und Zuckerstreusel (für sich selbst) und einem Apfel-Zimt-Müsliriegel (für mich). Es ist schon längst nicht mehr Morgen, sondern – ich sehe auf meine Armbanduhr – sieben Minuten nach zwölf.
»Wie fühlst du dich?«, fragt sie mich, wie jeden Tag.
»Bestens«, erwidere ich, wie jeden Tag.
»Keine Übelkeit?«
»Doch.«
»Gut.« Auch das sagt sie jeden Tag. »Hast du dich übergeben? «
»Ja, aber bisher erst zweimal.«
»Gut«, sagt sie erneut. »Was macht dein Zahnfleisch?«
»Es blutet.«
»Hervorragend. Du bist eine Bilderbuchschwangere, Scarlett.« Sie klingt genauso stolz wie eine Glucke mit einem flauschigen gelben Küken.
»Äh, danke.«
»No problemo, Boss.« Filly macht sich über ihren Donut her. Es dauert nicht einmal zehn Sekunden. Ich frage mich – nicht zum ersten Mal – wie sie es schafft, trotzdem so dünn zu bleiben. Sie trägt heute einen Minirock, der eigentlich eher ein Gürtel ist, und dazu eine gelb-braun gemusterte Strumpfhose, die ihre langen, dünnen Beine aussehen lässt wie die einer neugeborenen Giraffe. Filly friert
ständig wie ein Schneider – und zwar Frühling, Sommer, Herbst und Winter –, weshalb sie meist eine Mütze trägt. Das heutige Exemplar ist aus Wolle, mit einem häschenschwanzartigen Bommel
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