Und Sei Getreu Bis in Den Tod: Mitchell& Markbys Letzter Fall
einkaufen« zu lesen stand. Mehr nicht. Es verriet Jess nichts.
Sie blickte sich frustriert im Zimmer um. Abgesehen von der Kleidung und einer elektrischen Zahnbürste, die zum Laden in eine Steckdose an der Wand eingesteckt war, gab es absolut nichts Persönliches. Nicht einmal ein Stofftier, ein altes Maskottchen, wie viele junge Leute es besaßen. Der geflochtene Papierkorb neben der Kommode war leer und mit einer neuen Plastiktüte ausgelegt. Es gab kein eigenes Badezimmer, nur ein Waschbecken, das vor Sauberkeit funkelte. Selbst die Seife auf der Ablage war neu, wie in einem Hotelzimmer. Lag es nur daran, dass Mrs Whittle so gründlich sauber gemacht hatte und dass die Jenners alles entfernt hatten, das ihnen peinlich erschienen war? Oder hatte Fiona keine Hinweise auf ihre Persönlichkeit hinterlassen wollen? Alison Jenners Worte kamen ihr in den Sinn. »Ich hatte nie das Gefühl, sie wirklich zu kennen.«
»Wie es aussieht, werde ich sie auch nicht kennen lernen«, murmelte Jess. »Es sei denn, irgendjemand redet endlich.«
Sie kehrte nach unten zurück. Ein verlockendes Aroma von gutem heißen Kaffee kam aus dem Salon, und als sie die Tür öffnete, sah sie ein Tablett mit Kaffee und Tassen auf einem niedrigen Tisch. Alison und Jeremy Jenner saßen dicht beieinander auf dem Sofa und schienen eine Meinungsverschiedenheit zu haben. Nicht von der erbitterten Sorte, fand Jess, nur die Art von Meinungsverschiedenheit, die mit leidenschaftlicher Halsstarrigkeit ausdiskutiert wird. Sobald die beiden Jess sahen, unterbrachen sie ihre Diskussion, und Alison schenkte eine Tasse Kaffee ein.
»Danke sehr«, sagte Jess, als sie die Tasse entgegennahm. »Ich habe die Schlüssel an mich genommen, Mr Jenner. Ich werde Ihnen eine Quittung ausstellen. Jetzt brauche ich nur noch die Londoner Anschrift Ihrer Tochter.«
Jenner nahm ein kleines Blatt Papier vom Tisch und reichte es ihr. »Ich habe die Adresse bereits für Sie aufgeschrieben.«
Jess nahm das Blatt an sich. »Sie müssen das verstehen«, sagte Jenner. »Ich habe meine Tochter verloren. Ich weiß, dass ihr Tod untersucht werden muss. Aber ich habe das Gefühl, dass man rücksichtslos in alles eindringt, was ihr Leben war. Die Autopsie, die Durchsuchung ihres Zimmers, ihre persönlichen Dinge, jetzt ihre Wohnung …« Er verstummte.
»Wir hinterlassen alles so, wie wir es angetroffen haben, Sir. Darf ich fragen – hat Mrs Whittle das Zimmer oben sauber gemacht?« Sie fragte nicht direkt, ob die Jenners im Zimmer gewesen waren, doch sie beobachtete die beiden genau.
Alison legte in einer bestürzten Geste die Finger vor den Mund. »Ja. Ich habe nicht daran gedacht, sie aufzuhalten. Natürlich hätte alles so bleiben müssen, wie es war … Aber Fiona war eine ordentliche Person. Ich nehme nicht an, dass Mrs Whittle viel Arbeit hatte.«
Die Geste wirkte überzeugend. Was entweder bedeutete, dass Alison eine gute Schauspielerin war oder dass sie die Panne tatsächlich bedauerte. Wie dem auch sei, vielleicht war es unfair, ihr einen Vorwurf zu machen. Sie hatte den größten Teil des Wochenendes verschlafen, und möglicherweise war es Jeremy Jenner allein gewesen, der Fionas Sachen durchsucht hatte. Und Jenner war nicht die Sorte Mann, die zugab, etwas Unrechtes getan zu haben.
»Ich würde mich trotzdem gerne auf ein Wort mit Mrs Whittle unterhalten.« Jess stellte ihre Kaffeetasse ab. »Das war ein fantastischer Kaffee. Ist Mrs Whittle in der Küche? Nein, bleiben Sie nur sitzen, ich finde den Weg auch allein.«
»Sie durchdringen unsere Privatsphäre«, murmelte Jenner bitter. »Sie wandern durch das ganze verdammte Haus. Wir haben überhaupt keine Ruhe mehr.«
Mrs Whittle saß in der Küche, trank selbst eine Tasse Kaffee und las in der Daily Mail.
»Tut mir Leid, Sie zu stören«, sagte Jess und setzte sich der Haushälterin gegenüber an den Tisch. »Ich habe nur ein paar kurze Fragen. Haben Sie etwas weggeworfen, als Sie Fionas Zimmer aufgeräumt haben?«
Mrs Whittle starrte sie verblüfft an. »Nein, Miss. Warum sollte ich?«
»Ich habe gesehen, dass der Papierkorb leer und eine frische Tüte darin war.«
Endlich dämmerte Begreifen im Gesicht der Haushälterin. »Oh. Ich hab die Tüten ausgewechselt, aber es war nichts Besonderes im Abfall. Ein paar benutzte Tücher mit Lippenstift, glaube ich. Oh, und eine Strumpfhose mit einem Loch darin.« Mrs Whittle errötete schuldbewusst. »Ich hab die Strumpfhose behalten. Ich habe sie geflickt. Es war nur ein kleines
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