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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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mit einer Tonbandkassette, dürften Ihren Mann und die Regierung davon überzeugen, daß Sie unversehrt und am Leben sind, wenn man Ihre Lage auch nicht als angenehm bezeichnen kann.«
    Als er ihr wieder den rauhen Sack über den Kopf stülpte, schloß sie die Augen. Sie überlegte fieberhaft. Wenn sie Henry jemals wiedersehen wollte, mußte sie sich selbst helfen. Sie ahnte, daß der Entführer mit ihr und Henry Katz’ und Maus spielte und daß dieses Spiel mit ihrem Tod enden würde. Er schien überhaupt nicht an Politik interessiert. Er gab weder die sonst bei solchen Entführungen üblichen Haßtiraden gegen die Regierung von sich, noch versuchte er, sein Handeln und sein Ziel, Jovunet freizulassen, irgendwie zu rechtfertigen. Ja, er spielte Katz’ und Maus, und die Rolle der Maus gefiel Sunday gar nicht.
    Aber was sollte sie tun? Gefesselt und mit verbundenen Augen blieben ihr nur wenige Möglichkeiten. Doch mochte ihre körperliche Beweglichkeit auch eingeschränkt sein, ihr Gehirn konnte niemand in Fesseln legen. Wieder fiel ihr der Ring am Finger des Entführers ein. Ganz bestimmt hatte sie ihn schon einmal gesehen. Aber wo? Und wann?
    An der Hand dieses Mannes oder bei jemand anderem?
    Nacheinander stellte sie sich alle Menschen vor, die als Besitzer des Rings in Frage kamen. Mitarbeiter des Kongresses? Lächerlich. Außerdem schien das Ereignis, an das sie dachte, länger zurückzuliegen. Lieferanten?
    Jemand vom Hauspersonal in New Jersey? Nein. Ich kenne Henry erst seit knapp einem Jahr, überlegte Sunday. Und all seine Mitarbeiter sind schon seit Ewigkeiten bei ihm.
    Aber wer dann?
    Irgendwann werde ich dahinterkommen, schwor sie sich.
    Du mußt dich beeilen, warnte eine innere Stimme. Die Zeit wird knapp.
    Werde ich das hier überstehen? schoß es ihr durch den Kopf. Werde ich Henry wiedersehen? Kurz wurde Sunday von Verzweiflung überwältigt. Wie gerne wäre sie jetzt mit Henry zu Hause in Drumdoe. In einem provençalischen Kochbuch hatte sie ein wunderbares Rezept für Knoblauchhuhn gefunden, das sie am Wochenende hatte ausprobieren wollen. Seit sie als Studentin in einem Imbiß gejobbt hatte, war sie eine begeisterte Köchin und hatte sogar einige Kochkurse besucht. Und wenn Henrys langjähriger Koch seinen freien Abend hatte, übernahm sie das Kommando am Herd.
    Außerdem wurde sie heute morgen auf einer Ausschußsitzung erwartet. Das Gesetz über die Gesundheitsfürsorge für Kinder illegaler Einwanderer sollte noch einmal erörtert werden. Es versetzte Sunday in Rage, daß ausgerechnet der Mann, der die medizinische Versorgung dieser Kinder abgeschafft sehen wollte, ständig Photos seiner Enkel herumzeigte. Daraus hatte Sunday ihm eigentlich einen Strick drehen wollen.

    Aber zuerst mußte sie fliehen oder zumindest etwas zu ihrer Flucht beitragen. Gott hilft denen, die sich selbst helfen, sagte sie sich. Das war der Wahlspruch ihres Vaters.
    Und Gott möge denen helfen, die erwischt wurden! Das war ihr häufig durch den Kopf gegangen, als sie früher versucht hatte, ihre Mandanten freizubekommen. Sie holte tief Luft.
    Jetzt hab ich’s! überlegte sie. Ich habe diesen Ring nicht in Drumdoe oder in Washington gesehen, sondern vor vielen Jahren, als ich Pflichtverteidigerin war. Einer meiner Mandanten hat ihn getragen.
    Doch welcher? Welcher der vielen hundert Angeklagten, die sie in diesen sieben Jahren vertreten hatte, war der Besitzer des dicken Siegelrings mit dem Loch in der Mitte?
    Inzwischen war sie hellwach und ging im Geiste die verschiedenen Fälle durch. Nachdem sie sich den letzten ins Gedächtnis gerufen hatte, schüttelte sie den Kopf. Sie war überzeugt, daß sie ihren Entführer nie verteidigt hatte.
    Aber was den Ring betraf, war sie sich absolut sicher.
    Vielleicht war es nicht der identische Ring gewesen. Handelte es sich möglicherweise um das Erkennungszeichen einer Terroristengruppe? Doch ich hatte nie einen Fall, in dem es um Terrorismus ging. Wieder fiel ihr ein, wie unpolitisch ihr der Mann vorkam. Gut, also ist er kein Terrorist und er war nie einer meiner Mandanten, dachte sie.
    Wer ist er bloß?
    Wo hat Sunday wohl die letzte Nacht verbracht? fragte sich Henry, als er am nächsten Morgen um elf das Kabinettszimmer des Weißen Hauses betrat. Sofort fiel ihm auf, daß die Stimmung noch gedrückter war als am Vortag. Außer Des Ogilvey, dem gesamten Kabinett und den Leitern von CIA und FBI waren zwei weitere Männer anwesend: der Führer der Mehrheit im Senat und der

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