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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Prawitt
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zu umwandern. Fünf Kilometer lang soll die Strecke sein. Das werden die drei, so ausgeruht wie sie sind, in maximal eineinhalb Stunden schaffen. Und ich? Ich werde meinem Knie zuliebe den direkten Weg zum Strand von Berria laufen, wo wir uns später treffen wollen. Mein Weg ist nur knapp zwei Kilometer lang und führt sehr gemütlich immer geradeaus durch Santona hindurch bis in die Dünen von Berria. Alles sehr hübsch unangestrengt, und ich freue mich auf eine kurze Zeit allein am Wasser. Aber es kommt mal wieder alles ganz anders. Der Camino ist voller Überraschungen, und nichts ist wirklich planbar.
    Jetzt sitze ich im Sand, begeistere mich am Meer und denke, dass Gott sich da wirklich etwas Großartiges ausgedacht hat. Als mir schließlich die Zeit lang wird, krame ich mein Tagebuch aus dem Rucksack und beginne zu schreiben:

    Zu Hause habe ich allen gesagt, dass ich mir keinen Leistungsstress machen will. Aber ohne Schmerzen würde ich wahrscheinlich versuchen, so viele Kilometer wie möglich zu schrubben. Mein Knie zwingt mich zur Ruhe. Ob ich will oder nicht: Jetzt kann ich niemandem mehr etwas beweisen — nicht mal mir selbst. Stattdessen habe ich jetzt Zeit zum Denken, Wahrnehmen und Schreiben.
    Eineinhalb Stunden später:
    Hier ist es zwar wunderschön, aber ich muss mal und traue mich nicht weg. Könnte ja sein, dass gerade jetzt Doris und Pit und Gerd auftauchen. Und wer weiß, wo ich das nächste Klo finde? In den Dünen liegen überall Nackedeis in der Sonne, sodass ich mir dort kein Plätzchen suchen kann. Außerdem ist der Wind hier auf Dauer ziemlich eisig, mir ist kalt, ich habe Hunger, habe aber schon alle unsere Bonbons gefuttert und allmählich geht mir die ewige Warterei auch ziemlich auf den Senkel. Ich habe gerade Mühe, dem Ganzen, das heißt, dieser Situation, etwas Gutes abzugewinnen. Und wehe, die drei erzählen mir nachher, was ich alles verpasst habe. Und wie toll es war. Und dass ich den Weg bestimmt auch geschafft hätte...

    Über drei Stunden muss ich ausharren. Wo haben die drei bloß so lange gesteckt? Am Abend wird Pit in sein Tagebuch schreiben:

    Eva läuft den offiziellen Camino, und Gerd, Doris und ich wandern um die Küste herum. Leider verpassen wir den richtigen Weg und müssen durchs Gebüsch krabbeln. Ein Ziegenpfad! Sehr beschwerlich und schweißtreibend. Erst nach 30 Minuten Kampf stoßen wir wieder auf einen richtigen Weg. Und dort treffen wir auf Christian. Er ist spät in Laredo aufgebrochen und will für heute auch nicht mehr weiter.
    Die Steilküste bietet eine atemberaubende Aussicht. Hundert Meter geht es in die Tiefe, und das Meer zeigt sich von seiner schönsten Seite, von weiß über türkis bis dunkelblau, so wunderschön! Der Höhepunkt ist der Abstieg zum Meer, wo ein kleiner Leuchtturm steht. Es geht 700 Stufen senkrecht hinunter, schwindelerregend! Der Aufstieg ist ziemlich anstrengend. Nach dreieinhalb Stunden treffen wir am Strand von Berria endlich wieder mit Eva zusammen. Sie ist sichtlich genervt.

    Das hat mein lieber Mann ganz richtig erkannt, und entsprechend grantig nehme ich die drei auch in Empfang. Mein ganzer Frust entlädt sich über Pit, der es aber gelassen und kein bisschen persönlich nimmt, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Denn Frust, der heraus darf, muss sich nicht anstauen. Angestauter Frust aber wächst und wuchert wie nicht beachtetes Unkraut. Pit hat dafür gesorgt, dass das diesmal nicht passiert ist. Und so komme ich schließlich ganz von allein darauf, dass eigentlich niemand an dieser blöden Situation schuld war und es deshalb auch keinen Grund gibt, auf irgendjemanden sauer zu sein. Das Ganze ist nun mal gelaufen, wie es gelaufen ist. Basta.
    Und so bin ich schon wieder versöhnt, als wir in Berria ein hübsches kleines Restaurant entdecken, in dem es eine saubere Toilette und eine gut geführte Küche gibt. Wir wollen uns gerade nach drinnen begeben, da kommen uns Jean-Paul und Rachel entgegen. »How are you?«, und » Where do you come from today?«, bestürmen wir einander. Wir haben uns lange nicht gesehen, das letzte Mal vor fünf Tagen in Munitibar, wo Christian, Doris, Pit und ich uns vor dem Dauerregen in eine Bar flüchteten und dort herrlich zünftig zu Mittag aßen. Was ist seither nicht alles geschehen! Natürlich müssen wir uns gegenseitig alles bis ins Kleinste erzählen.
    Jean-Paul und Rachel haben in Berria ein kleines Hostal gefunden. Wir vier anderen aber ziehen weiter. Heute ist ein richtiger

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