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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Prawitt
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drauflos, obwohl es offensichtlich ist, dass wir kein Wort verstehen, nicht mal Christian, der bis jetzt mit seinen Portugiesischkenntnissen einen ganz passablen Dolmetscher abgegeben hat. Wir bekommen ein Zimmer mit vier Stockbetten für uns vier allein und hoffen, dass andere Pilger andere Unterkünfte wählen.
    Pit schaut sich amüsiert um und findet: »Das hier ist doch mal was anderes.« Das Haus hat sicher mal bessere Zeiten gesehen. Die Betten hängen durch und das Gemeinschaftszimmer sieht aus wie ein Nippes- oder Kramladen. Es gibt ein durchgesessenes, antikes Plüschsofa mit einem Holztisch und Stühlen davor, abgestoßene Vertikos und Vitrinen an den Wänden, die vollgestopft sind mit Porzellanfigürchen und Plastikblumen und angeschlagenem Geschirr. Ein alter Mann sitzt am Tisch und legt Karten, ein überdimensional großer Fernseher plärrt vor sich hin. Man muss durch dieses Zimmer, um zu den sanitären Anlagen zu gelangen. Auch die sind sehenswert. Es gibt drei Toiletten und drei Duschen, alle bloß mit einem Vorhang vor neugierigen Blicken geschützt. Aber ein einigermaßen großer Mensch kann trotzdem mühelos darüber hinwegsehen. In den Spülkästen unter der Decke klemmen Plastikrosen, wie man sie auf einem Rummelplatz an der Schießbude gewinnen kann. Sehr originell. Nach dem Duschen stecke ich meinen Kopf aus dem kleinen Badfenster und schaue in einen wilden, verwunschenen Garten. Draußen sitzt einsam auf einer Steinbank eine Frau. Ich winke ihr zu. Sie ist Pilgerin wie wir, eine Deutsche aus Hamburg. Aber ihren Namen habe ich nicht verstanden. Macht nichts. Wir werden uns sicher später kennenlernen.
    Arcos Iris liegt ungefähr drei Kilometer vor Santillana. Das Haus ist verwahrlost, genauso der Garten. Ein leerer Swimmingpool ist von Unkraut überwuchert. Das alles hier muss mal sehr edel gewesen sein. Die Landschaft darum herum ist es immer noch: Wiesen, die sich über sanft gewellte Hügel erstrecken. Es sieht aus, als hätte Gott ein grünes Tuch ausgeschüttelt und es dann so, wie es langsam zu Boden geglitten ist, liegen lassen.
    Ich hole mir einen zerkratzten Plastikstuhl und setze mich ins kniehohe Gras. Nach und nach kommen die drei anderen dazu. Doris frottiert sich die Haare mit einem Mikrofasertuch. Christian raucht und Pit feilt sich die Fingernägel. Grillen singen, schräg stehende Sonnenstrahlen versuchen, ihr Gleichgewicht zu halten, unsere Wäsche knattert im Wind.
    Das Abendessen ist für acht Uhr angesetzt. Es gibt ein reichhaltiges Drei-Gänge-Menü. Unsere rührige Gastgeberin lässt einen leeren Teller nicht gelten und füllt kräftig nach. Ich bin schon nach dem ersten Gang, einem Salat mit Kartoffeln, Eiern und Oliven, pappsatt und muss zur großen Missbilligung unserer hospitalera mein Schweinefleisch an Pit und Christian abgeben. Ich kann sie nur besänftigen, indem ich auf dem roten Sofa ein Plätzchen für sie schaffe. Ich rutsche dichter an Doris heran und klopfe mit der Hand neben mir auf das Polster. Bereitwillig quetscht sie sich neben uns. Mit uns am Tisch sitzen noch der alte Mann mit seinen Karten, die Hamburgerin und zwei Fahrradpilger, einer von ihnen Italiener, der andere Spanier. Beide sprechen englisch, sodass wir uns sehr nett und angeregt unterhalten können.
    Nach dem Essen gibt es Fußball: Manchester gegen Barcelona. Ein anderer Spanier, wahrscheinlich der Sohn unserer Gastgeberin, der fleißig in der Küche geholfen hat, zündet für seine Mannschaft, natürlich Barcelona, eine Kerze am Hausaltar an. Ob es etwas nützt, werde ich erst morgen erfahren. Ich halte nämlich nur bis zur ersten Halbzeit durch. »Estoy cansado (Ich bin müde) y buenas noches (und gute Nacht).«

16. TAG SANTILLANA — CÓBRECES

    Ich habe so gut geschlafen, wie noch keine Nacht zuvor, vielleicht wegen der Ruhe hier draußen. Weit und breit keine Zivilisationsgeräusche, und mit Ohropax in den Ohren habe ich nicht mal den Schlafatem meiner drei Zimmergenossen gehört. Die Luft ist durchsichtig wie Zellophan und sauber wie aus der Waschmaschine, denn in der Nacht hat es geregnet. Unsere hospitalera serviert uns zum Frühstück Toast, Marmelade und ein paar Butterkekse, alles lieblos ohne Teller oder Besteck auf die Papiertischdecke geknallt. Die Spanier haben einfach keine Frühstückskultur. Nur der Kaffee ist klasse. Unsere Gastgeberin gießt uns reichlich heiße Milch hinein. Während wir so viel Kaffee wie möglich in uns hineinschütten, erfahre ich, dass das

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