Und was wirst du, wenn ich gross bin
Einverständnis der Gesellschaft, gepflegt zugesoffen.
Und seit diesem 4. April weiß ich, dass mein Idealismus manchmal eng gesteckte Grenzen hat, und wenn die überschritten werden, geht mir zu viel Gutmenscherei am Arsch vorbei, und wenn der noch so süß und rund ist.
7
zeuge
Zum Mannsein gehört natürlich auch, irgendwann das zu verrichten, was Voraussetzung allen Seins ist, insbesondere des eigenen. Also das zu tun, was die Eltern taten, um zu zeugen. Beischlaf, Entjungferung, eben: Sex.
Mein erstes Mal fand im Ausland statt, in Brüssel. Ich war fünfzehn und sie eine achtzehnjährige Französin. Welch eine Konstellation für eine außergewöhnliche erotische Geschichte! Ich war mir dessen natürlich völlig bewusst. Nehme ich an.
Der Abend war vielversprechend verlaufen, sowohl für mich als auch für meinen besten Freund, mit dem ich unterwegs war, und dessen Auserwählte. Nach ausgedehntem Knutschen ging es in die eigens für weitergehende Zwecke von der weisen älteren Schwester der Freundin meines besten Freundes zur Verfügung gestellte Bleibe. Dort gab es auch zwei Zimmer mit Schlafgelegenheiten. Das Bett war in jeder Hinsicht bereitet.
Ich war erstaunlicherweise trotz aller Abgeklärtheit aufgeregt wie ein fünfzehnjähriger Teenager vor dem ersten Mal. Wir fielen ungelenk, nein, ich fiel ungelenk über sie her, wir küssten und liebkosten uns, ich lag auf ihr, wir rieben uns aneinander, und alles hätte gut sein können. Aber in der Hitze des Gefechts habe ich irgendwie übersehen, die Hose auszuziehen, und auch mit Hose an kann fortgesetztes Reiben zu den bekannten Ergebnissen führen.
Da lag ich nun im Bett, mit feuchter Hose, und wusste beim besten Willen nicht, was ich machen sollte, während nebenan mein bester Freund hörbar sein erstes Mal gehabt hatte. Es war einer der hilflosesten Momente meines Lebens, ich war so verwirrt, dass ich zu keiner weiteren Aktion fähig war. Ich hörte nur, wie jemand, der nach mir klang, in meinem Kopf immer und immer wieder die Worte wiederholte: »Du hast die Hose angelassen. Du hast die Hose angelassen …«, bis die Schwester ihre Wohnung wieder für sich beanspruchte.
Ganz am Rande meiner Ahnungslosigkeit fühlte ich mich wie Captain Ahab, der zugunsten eines Aquariums darauf verzichtet hat, Moby Dick zu jagen. Ich habe mich darüber so geschämt, dass ich schon aus Reflex anschließend der ganzen Welt erzählte, ich hätte den weißen Wal erlegt. Selbst meinem besten Freund.
Zum Glück - oder auch leider, da es eine Wiedergutmachung unmöglich machte -, trampten mein bester Freund und ich am nächsten Tag nach Hause. Ich war wohl etwas ruhig auf der Fahrt, besonders für jemand, der gerade sein erstes Mal hinter sich hat.
Zu Hause habe ich die Legende weitergesponnen. Erstaunt hat mich dabei, dass die Reaktion aller anderen auf meine Fiktion nicht anders war, als hätte ich wirklich meine Entjungferung bestanden.
Offenbar geht es nicht immer darum, etwas getan zu haben, um dafür gewürdigt zu werden. Es darf nur keine Zeugen geben. Gerade bei ersten Malen. Es würde mich nicht wundern, wenn Kolumbus nach seiner Ankunft in der neuen Welt erst mal alles, was dafür sprach, dass andere (mal ganz abgesehen von den Einwohnern) schon vorher dort gewesen waren, vergraben oder versteckt und dann ganz laut gerufen hätte:
»Erster!«
Und eine spätere Konversation mit den Einheimischen und offiziellen Vertretern der spanischen Krone lief wahrscheinlich so ab:
Kronenvertreter: »Sagen Sie, Indio, war schon mal ein Fremdling bei Ihnen zu Besuch?«
Kolumbus übersetzt das ins Indianische.
Indio antwortet: »Also da waren die Ägypter, dann die Wikinger, einer, der aussah wie ein Chinese, ab und zu mal jemand aus der Südsee; und ich meine, mir hat mal ein Kollege von einigen Afrikanern erzählt, die auf der Durchreise waren. Sonst fällt mir grade niemand ein.«
Kronenvertreter (an Kolumbus): »Was hat er gesagt?«
Kolumbus: »Nein.«
Falls der Kronenvertreter ein rechter Korinthenkacker und Erbsenzähler war und nachhakte, ging es vermutlich so weiter:
Kronenvertreter: »Das war aber eine lange Antwort für ein einfaches Nein.«
Kolumbus: »Na ja, er hat gesagt, die Krone muss wirklich absolut dumm sein, so blöde Fragen zu stellen.«
Kronenvertreter: »Kopf ab!«
Ich muss hinzufügen, durch meinen Vorfall gelernt zu haben, dass es einen Zeugen gibt, den man, so sehr man sich auch bemüht, nicht loswerden kann: sich selbst. Die
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