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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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ließ mich in den Schnee sinken, stieß den Atem aus, den ich angehalten hatte, und fuhr mir mit der kalten Außenseite meiner Handschuhe übers Gesicht. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, dass Meredith an einem der Baumstämme kauerte. Ein feuchter Glanz schimmerte auf ihren Wangen.
    »Hey, Mere«, sagte ich. »Alles in Ordnung jetzt. Sie sind weg.«
    Sie antwortete mit einem Wimmern und streckte die Hand aus. Mir blieb fast das Herz stehen.
    Die Innenseite ihres Fäustlings war komplett mit Blut durchtränkt.

Neun
    »Ich hab versucht, leise zu sein«, sagte Meredith zitternd. »Ich wusste ja, dass wir nicht von diesen Leuten gefunden werden wollten.«
    So vorsichtig wie möglich zog ich ihr den Handschuh aus und musste mich beherrschen, meine eigene Stimme ruhig zu halten. »Was ist denn passiert? Und wann?«
    Meredith zuckte zusammen. Quer durch ihre kleine Handfläche verlief ein ausgefranster Schnitt, aus dem bereits auf ganzer Länge noch mehr Blut hervorquoll.
    »Ich glaube, es war als wir von der Straße runter sind und ich hingefallen bin«, antwortete sie. »Da war etwas Spitzes im Schnee. Es hat echt weh getan. Aber ich hab ganz doll auf meine Hand gedrückt, und da ist es besser geworden. Ich war stark, so wie du, Kaelyn.« Sie lächelte mich gequält an.
    Stark wie ich. Ich fühlte mich gerade gar nicht besonders stark.
    »Hier«, sagte Tobias und hielt mir Verbandzeug hin. Ich zuckte zusammen. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. »Ich glaube, da sind auch ein paar Desinfektionstücher drin«, fuhr er fort und kramte in dem Erste-Hilfe-Kasten, den er aufgeklappt hatte. Ich riss das dünne Päckchen auf, das er mir gereicht hatte, und tupfte die Wunde ab.
    »Das war wirklich tapfer, Meredith«, sagte Leo. »Das hast du gut gemacht. Du hast geholfen, auf uns aufzupassen.«
    Ihr Lächeln wanderte in seine Richtung, und sie biss sich auf die Lippe, als ich anfing, den Verband um ihre Handfläche zu wickeln. Ich hatte jedenfalls ziemlich darin versagt, auf sie aufzupassen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sie sich verletzt hatte. Tobias sagte, er hätte mehrere von diesen Tüchern – ob wir die Wunde wohl sauber halten könnten, bis sie geheilt war? Was, wenn sie sich entzündete?
    Ich hatte nicht einmal einen neuen Handschuh, den ich ihr hätte geben können. Ihr alter war zu feucht, um jetzt noch ihre Hand warm zu halten. Warum hatten wir bloß keine zusätzlichen mitgenommen, als wir die Decken und Mützen holten?
    »Schätze, wir haben gerade die Verstärkung kennengelernt, auf die die Typen in der Stadt gewartet haben«, sagte Tobias. »Die sind ja ganz schön scharf auf unser Eigentum.«
    »Wenigstens haben sie es auf dieser Strecke hier aufgegeben«, erwiderte Tessa.
    »Fürs Erste«, antwortete Leo. »Aber es gibt nicht so sehr viele Straßen. Wenn sie uns unbedingt finden wollen, werden sie zurückkommen.«
    Gav verpasste dem Schnee einen Fußtritt. »Vielleicht sollten wir lieber zurückgehen und die Sache ins Reine bringen. Sie davon überzeugen, dass es sich nicht lohnt, sich mit uns anzulegen.«
    Ich dachte an die Gewehrmündung, die aus dem Fenster des Lieferwagens geragt hatte. »Wir gehen auf keinen Fall auch nur in die Nähe dieser Leute!«, rief ich heftiger als beabsichtigt. Ich zog einen meiner Handschuhe aus, streifte ihn über Merediths Hand, küsste sie auf die Stirn und erhob mich. »Ich schau mal auf die Karte.«
    Dann schnappte ich mir den Straßenatlas von meinem Schlitten und stapfte durch die Bäume davon. Nach ungefähr zehn Metern blieb ich stehen und lehnte mich an die rissige Rinde eines Birkenstamms. Meine Beine fühlten sich an wie Pudding. Einen Augenblick lang war die feste Beschaffenheit des Baumstamms an meinem Rücken das Einzige, was mich noch aufrecht hielt.
    Meredith geht es gut, sagte ich mir. Es war ein schlimmer Schnitt, aber schließlich nur ein Schnitt. Wir hatten Proviant, wir hatten den Impfstoff, wir hatten eine Karte. Alles unverändert.
    Abgesehen davon, dass mindestens zwei Leute mit einem Gewehr hinter uns her waren und dass wir nicht genau wussten, wie weit und wie lange sie uns verfolgen würden, und dass theoretisch jeder von uns jederzeit noch schlimmer verletzt werden könnte. Durch unsere Verfolger, durch einen weiteren Unfall, durch die Kälte. Bis jetzt hatten wir noch keine einzige Nacht ohne Heizung verbracht. Wie viele solcher Nächte würde es wohl geben zwischen hier und Ottawa? Vor uns lagen schließlich Hunderte von

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