Und wenn wir fliehen (German Edition)
sie noch weitere Infos brauchen, oder?«
Ich sah hinüber zu den Schlitten, die wir hinter den Wohnwagen außer Sichtweite gezogen hatten. Wir würden nicht alle Vorräte mitnehmen können – ich bezweifelte, dass sie in das Auto passten, egal was für eins sie schicken würden. Vielleicht könnten wir ja später zurückkommen, um sie zu holen?
Ein Schauer der Aufregung überkam mich. »Wir haben es geschafft«, sagte ich laut, denn ich musste die Worte hören, um es wirklich zu realisieren. »Wir haben jemanden gefunden.«
»Du meinst, du hast es geschafft«, sagte Gav. Er schlang die Arme um mich und küsste die Stelle hinter meinem Ohr.
»Tobias war derjenige, der den Kontakt hergestellt hat«, betonte ich.
»Ich hätte keinen Grund gehabt, Kontakt zu ihnen aufzunehmen, wenn die da nicht wären«, sagte Tobias und nickte Richtung Kühlbox.
Ich legte die Hände darauf. »Ist vielleicht besser, sie zu verstecken, bis wir wissen, dass diese Leute sauber sind«, sagte ich. »Wir schauen uns ihre Ärzte an, ich stelle ihnen ein paar Fragen, und dann entscheiden wir, was wir tun.«
Im Grunde war an der Sache nichts sicher. Selbst wenn sie uns wohlgesonnen waren, konnte es eine weitere Sackgasse sein. Aber zumindest schienen sie bereit, uns zu helfen. Vielleicht konnte ich diese ganze Verantwortung ja endlich an jemanden weitergeben, der wirklich wusste, was er tat.
»Wenn du das für nötig hältst«, sagte Gav.
»Tu ich«, erwiderte ich, während ich die Box hochhob, konnte jedoch ein Lächeln nicht verbergen.
»Schätze, wenn das vorbei ist, geht ihr alle wieder nach Hause«, sagte Justin und klang deprimiert.
Leo verpasste ihm einen leichten Schubs an der Schulter. »Wenn du das durchgemacht hättest, was wir durchgemacht haben, wärst du auch froh darüber.«
»Bei allem, was wir wissen, können wir immer noch …«, fing ich an, als eine Stimme aus dem Lautsprecher des Funkgeräts ertönte.
»Hallo?«
Ich wirbelte herum, während Tobias schon das Mikro hochriss. »Route 2, immer noch hier. Over.«
»Gut. Gut.« Eine gehetzte Stimme zischelte durch den Lautsprecher. »Ich muss euch etwas fragen, das jetzt vielleicht ein bisschen seltsam klingt. Habt ihr einen Impfstoff?«
Es war niemand von den Leuten, mit denen wir vorher gesprochen hatten, weder die Frau noch der Mann. Die Stimme klang wie die eines Jugendlichen. Seine Worte trafen mich wie der Schlag, und ich trat ungläubig einen Schritt näher.
»Was für einen Impfstoff?«, fragte Tobias und sah mich mit hochgezogenen Brauen an. »Over.«
»Hört zu«, erwiderte die Stimme, »ob es stimmt oder nicht, sie denken jedenfalls, ihr seid diejenigen, die ihn haben. Die Leute, die sie losgeschickt haben, um euch abzuholen, die sind hinter dem Impfstoff her. Ich weiß nicht, ob sie euch glauben, wenn ihr behauptet, ihr hättet ihn nicht. Die erwarten einfach, dass ihr ihn rausrückt. Und wenn nicht, dann werden sie euch was antun.«
Mein Herz pochte so wild, dass es schmerzte. »Wer ist da?«, fragte Tobias.
»Das spielt keine Rolle«, antwortete die Stimme. »Ihr seid es, stimmt’s? Hört zu, das ist nicht die Sorte Typen, von denen ihr wollt, dass sie den Impfstoff kriegen. Ich kann euch nur raten, Richtung Osten zu gehen. Vor dem südlichen Ende von Neuschottland liegt eine Insel – da waren sie noch dabei, an dem Virus zu arbeiten – mein Dad …«
Bei diesen Worten verschwand der letzte Zweifel. Noch bevor ich wusste, dass ich mich in Bewegung setzen würde, riss ich Tobias das Mikro aus der Hand.
»Drew?!«, rief ich.
Einen Moment Schweigen. »Woher weißt du, wie ich heiße?«
Ich lachte, während mir gleichzeitig die Tränen in die Augen schossen. »Drew, hier ist Kaelyn. Der Impfstoff. Das ist der von Dad. Aber er … es war niemand mehr da, der mehr davon machen konnte, deshalb haben wir ihn hierhergebracht. Wo bist du?«
»Kaelyn? Aber du … du warst doch krank. Ich dachte, du wärst … Mist. Sie kommt zurück. Kae, verschwindet da. Was immer ihr ihnen gesagt habt, wo sie euch finden, verschwindet. Bitte. Ich versuche … ich versuch an einem anderen Tag noch mal durchzukommen, ungefähr um diese Uhrzeit. Aber bitte … Scheiße.«
Das Rauschen begann zu zischeln und verflüchtigte sich zu einem leisen Summen, sonst war nichts mehr zu hören.
Fünfzehn
Wir standen noch einen Augenblick wie angewurzelt da, doch Drews Stimme kam nicht wieder.
»Du kennst ihn?«, fragte Tobias mich.
»Er ist mein Bruder«, antwortete ich.
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